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US-Dokument: Grass gab Mitgliedschaft schon 1945 zu

Laut einem Medienbericht hat sich Günter Grass bereits nach Kriegsende zu seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS bekannt. Das Nobelkomitee in Stockholm schloss eine Aberkennung des Nobelpreises für den Schriftsteller aus.

Berlin/Stockholm - "Die Preisentscheidung ist unumstößlich", sagte der Direktor des Nobelkomitees, Michael Sohlman. Der Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz wies seinerseits Forderungen zurück, Grass wegen dessen Eingeständnis die Ehrenbürgerschaft der Stadt zu entziehen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland übte indes heftige Kritik an dem Schriftsteller.

Sohlmann sagte, das Nobelkomitee habe noch nie in seiner 105-jährigen Geschichte einen Preis wieder aberkannt. Kritiker hatten Grass zuvor aufgefordert, seinen Nobelpreis zurückzugeben. Der Danziger Bürgermeister Adamowicz sagte, Grass habe sich immer eindeutig zur Verantwortung der Deutschen für ihre Verbrechen bekannt und sei immer kritisch gewesen gegenüber den Forderungen der deutschen Vertriebenen und allen Versuchen, die Geschichte zu relativieren. "Diese Neuigkeiten ändern nichts an meiner Meinung über Grass", betonte er mit Blick auf das Eingeständnis des Schriftstellers.

"Spiegel": Grass bekannte sich nach Kriegsende zur Waffen-SS

Nach Informationen des "Spiegel" hat sich Grass bereits unmittelbar nach Kriegsende gegenüber den amerikanischen Militärbehörden zu seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS bekannt. Dies gehe aus zwei bislang unbekannten Dokumenten hervor, die dem Nachrichtenmagazin vorlägen. In einem Papier werde Grass, der damals in Kriegsgefangenschaft war, als Schütze der 10.SS-Panzer-Division "Frundsberg" geführt.

Nach Ansicht der Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, legt das "späte Geständnis" von Grass kurz vor Veröffentlichung seines neuen Buches "die Vermutung nahe, dass es sich um eine PR-Maßnahme zur Vermarktung des Werkes handelt". Grass sei stets als "strenger moralischer Mahner aufgetreten", sagte sie der "Netzeitung". Sein langjähriges Schweigen über die eigene Vergangenheit bei der Waffen-SS "führt nun seine früheren Reden ad absurdum".

Aberkennung der Ehrenbürgerschaft

Die Forderung nach Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Grass, der 1927 in Danzig zur Welt gekommen war, war am Montag von Angehörigen der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Brüder Kaczynski erhoben worden. Kein Mitglied der Waffen-SS könne Ehrenbürger irgendeiner polnischen Stadt sein, sagte der PiS-Abgeordnete Jacek Kurski zur Begründung. Ähnlich hatte sich zuvor auch schon der frühere polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa geäußert.

Der Schriftsteller Maxim Biller sagte, Grass habe der deutschen Vergangenheitsbewältigung "schwer geschadet". Die Schriftstellerin Juli Zeh relativierte indes die Bedeutung von Grass für die jüngere Generation. Eine moralische Instanz sei er allenfalls "für die Generation über uns gewesen", sagte sie im Deutschlandradio Kultur. Ihrer Generation sei die Zeit des Nationalsozialismus nicht egal, "aber man reagiert nicht mehr ganz so hysterisch und so reflexhaft aufgeregt".

Peter Reichel: Debatte um Grass inszeniert

Der Historiker Peter Reichel warf der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur vor, sie habe das Geständnis kurz vor Veröffentlichung der Autobiografie inszeniert. Grass hatte sich in einem FAZ-Interview öffentlich dazu bekannt, dass er als 17-Jähriger der Waffen-SS angehörte.

Rückendeckung erhielt Grass von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). Es wäre absurd, Grass jetzt "als Aussätzigen" zu behandeln, sagte Thierse im ZDF. Grass zwinge "gewissermaßen noch einmal am Ende seines Lebens uns dazu, uns mit der deutschen Vergangenheit zu befassen". (tso/AFP)

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