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US-Präsident: Obamas Hofnarren

Philipp Lichterbeck über die amerikanischen Inaugurationsrituale

Vor rund 235 Jahren hatten 13 amerikanische Kolonien genug von der Herrschaft des englischen Königs und zettelten einen Aufstand an, der wenige Jahre später zur Gründung der USA als erzdemokratische Nation führte. „Aristocrat“ galt dort fortan als Schimpfwort. Ein Phantomschmerz blieb jedoch vom Exitus der Monarchie. Um diesen zu stillen, erfand man die „Inauguration“. Selbige wird bis heute mit einem Pomp begangen, als ob ein Monarch gekrönt und nicht der kurz „Potus“ genannte President of the United States ins Amt eingeführt würde. Das ist auch bei Barack Obama nicht anders, der am 20. Januar offiziell seinen neuen Job antritt. Er wird eine Militärparade inklusive 21-Schuss-Salut abnehmen, und eine US-Marines-Band wird „Hail to the Chief“ intonieren. Nach dem Schwur auf eine 150 Jahre alte Bibel (schon Lincoln legte seine Hand darauf) wird Obama dann seine erste, weltweit mit Spannung erwartete Rede als Präsident halten. Als mindestens ebenso richtungweisend darf das künstlerische Rahmenprogramm betrachtet werden. Das bestimmt der Potus nämlich selbst, und es ist immer bezeichnend, wen der Neue einlädt.

Sehr zum Leidwesen seiner jüngeren Anhänger outet sich Obama dabei einmal mehr als Konservativer. So erkor er nicht nur den homophoben Pastor Rick Warren aus, ihm den Amtseid abzunehmen. Auch bei der Musikauswahl begab er sich auf die sichere Seite. Nicht Rage Against The Machine sollen es krachen lassen, nein, die 66-jährige „Queen of Soul“ Aretha Franklin wird Obama ein Ständchen bringen – wie vor 16 Jahren schon Bill Clinton. Anschließend musizieren hochanständig: der Cellist Yo-Yo Ma, der Violinist Itzhak Perlman und die Pianistin Gabriela Montero. Höhepunkt soll jedoch der Vortrag eines bei der Poetin Elizabeth Alexander in Auftrag gegebenen Gedichts sein.

Obama ist erst der dritte Präsident, der seine Einführung dichterisch begleiten lässt. Für Bill Clinton lasen Maya Angelou (1993) und Miller Williams (1997); John F. Kennedy lud 1961 Robert Frost ein, der allerdings sein Manuskript wegen gleißender Sonne nicht entziffern konnte und deswegen ein älteres Werk aus dem Gedächtnis rezitierte, was Literaturkritiker heute als großes Glück betrachten, da das zum Anlass verfasste Poem als das schlechteste gilt, das Frost jemals schrieb. Für den Fall, dass das Obama-Gedicht abhanden kommen sollte, ist Alexander vorbereitet: Sie wird einen Spickzettel im Schuh tragen. Für Obama bleibt da nur noch zu hoffen, dass ihn nicht die gleiche Undankbarkeit treffen wird, die seinen Vorgänger ereilte. Der hatte bei seiner „Inauguration“ 2001 mit Ricky Martin getanzt, der sich später so sehr dafür schämte, dass er George W. Bush während eines Konzerts symbolisch den Stinkefinger zeigte. Zumindest die Hofnarren sind in Amerika nicht mehr das, was sie einst waren.

Philipp Lichterbeck über die amerikanischen Inaugurationsrituale

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