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Kultur: US-Wahlkampf: "Gore muss sich bis zum Schluss stärker anstrengen"

Thomas Greven (34) ist Politologe und wissenschaflicher Assistent der Abteilung Politik am John-F.-Kennedy-Insitut der Freien Universität Berlin.

Thomas Greven (34) ist Politologe und wissenschaflicher Assistent der Abteilung Politik am John-F.-Kennedy-Insitut der Freien Universität Berlin.

In 20 Staaten liegen die Kandidaten in Umfragen gleichauf. Wer oder was kann jetzt in letzter Minute den Ausschlag geben?

Eine Komponente, die heute die Wahl noch entscheiden kann, ist der turn out, die Wahlbeteiligung der jeweiligen Basis. Bei Gore wären das die Familien mit mindestens einem Gewerkschaftsmitglied und die Schwarzen. Das sind die beiden großen Gruppen der demokratischen Basis. Die haben sich zwar im Prinzip entschieden, wem sie ihre Stimme geben wollen - fraglich ist aber, ob sie sich überhaupt zur Wahlurne bemühen. Und Gore muss sich hier bis zum Schluss stärker anstrengen als Bush bei seiner Basis, weil Bush bei den republikanischen Stammwählern besser ankommt als Gore bei den demokratischen Stammwählern.

Und welche Bedeutung haben die bisher Unentschiedenen, die "swing voters"?

Die so genannten Schaukelwähler stellen einen immer größeren Anteil der amerikanischen Wähler. Da gibt es Gruppen wie die so genannten soccer mums - also die berufstätigen Mütter in den Vorstädten, die ihre Kinder auch noch zum Fußballspiel fahren - oder die techno dads, die immer stärker umworben werden und sich gleichzeitg immer weniger beteiligen. Die Hauptgruppe, an die sich sowohl Gore als auch Bush wenden, sind aber die working families, also die arbeitende Bevölkerung, insbesondere diejenigen ohne College-Abschluss. Hier findet sich ein großer Anteil bisher unentschiedener Bürger. Deren Anteil liegt zwischen einem Viertel und einem Drittel der Wähler.

Welche Bedeutung kommt heute dem Kandidaten der Grünen Partei, Ralph Nader, zu?

Ralph Nader kann aufgrund des amerikanischen Präsidentschaftswahlrechts eine sehr wichtige Rolle spielen. Bei dem Wahlrecht geht es darum, in den Einzelstaaten die relative Mehrheit zu erringen, um alle Wahlmännerstimmen zu bekommen. Das ist besonders wichtig für Gore: Er muss Kalifornien gewinnen - und dort kann Nader das Zünglein an der Waage spielen, denn er wird im wesentlichen Stimmen von der demokratischen Wählerschaft wegnehmen. Das gilt überhaupt an der ganzen Westküste in den Staaten, die traditionell demokratisch wählen. Es kann passieren, dass Bush heute deswegen dort die relative Mehrheit erringt. Sollte Bush die Wahl gewinnen, könnte das zum Teil auf den Nader factor zurückzuführen sein.

Welche Rolle spielen heute möglicherweise die unterschiedlichen ethnischen Gruppen wie Hispanics und Afro-Amerikaner?

Die entscheidende Frage bei den Schwarzen ist, inwieweit sie sich zum Wahlgang motivieren lassen. Sie stellen zwar zehn Prozent der Bevölkerung, aber ihre Wahlbeteiligung ist niedriger als die des Durchschnitts. Diejenigen Schwarzen, die wählen, wählen zu 80 Prozent demokratisch. Bei den Hispanics, die traditionell mit Ausnahme der Kubaner eher den Demokraten zuneigen, hat George W. Bush leichte Verbesserungen zu erwarten. Er hat einen Schritt in Richtung der Spanisch sprechenden Bevölkerung gemacht, indem er mit seinem Neffen aufgetreten ist, der Latino ist. Das ist zwar nur ein symbolischer Schritt, aber es könnte sein, dass es die Wähler trotzdem honorieren.

Europäische Kommentatoren sind Gore zugeneigt. Wäre er für uns die bessere Wahl?

Es ist meist so, dass man den Status quo bevorzugt. Und dafür steht Gore, weil er den vorigen zwei Regierungen als Vizepräsident angehört hat und man weiß, man hat es mit einem erfahrenen Außenpolitiker zu tun. Dazu kommt, dasss Gore dem überwiegend sozialdemokratisch geführten Europa ideologisch näher ist. Zum Beispiel in Sachen Globalisierung: Hier hat Gore angedeutet, Handelsliberalisierungen zukünftig stärker sozial und ökologisch abzufedern.

Was ist Ihre persönliche Prognose für den Wahlausgang?

Bei Bush-Gore will ich mich nicht festlegen, dafür ist es viel zu eng. Was man aber außerdem beachten sollte, ist, dass ja neben dem Präsidenten auch ein neuer Kongress gewählt wird. Das spielt auch außenpolitisch eine gewisse Rolle. Hier wird es aller Wahrscheinlichkeit nach weiter ein divided government geben, also keine Parteigleichheit im Weißen Haus und im Kongress. Ich denke, die Republikaner werden das Repräsentantenhaus verlieren und den Senat behalten. Und das wird wirtschafts- wie sicherheitspolitisch dafür sorgen, dass die Ausschläge vom Status quo nicht besonders groß sein werden.

In 20 Staaten liegen die Kandidaten in Umfragen gl

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