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Kultur: Utopien aus Blech

„Die Roboter kommen!“: Das Museum für Kommunikation zeigt die Geschichte der Maschinenmenschen

Der Rhythmus scheppert, das Saxofon quietscht schrill. Trotzdem bleibt der Fortschrittsoptimismus dieser Hymne mitreißend, auch wenn man sie noch nie in einer so ungelenken Version gehört hat. Die Band spielt die Marseillaise, patriotisches Pathos entströmt den Instrumenten. Allerdings sind die Körper der Musiker aus goldglänzendem Blech, ihre Arme bestehen aus Gummischläuchen. „Les Robots Music“, so der Name der dreiköpfigen Formation, sind schon etwas in die Jahre gekommene Maschinen, machen dafür aber erstaunlich abwechslungsreiche Musik. Sie haben rund 500 Titel im Programm, von „La Bamba“ bis „Non Je Ne Regret Rien“. Ernest, der Saxofonist, erhebt sich für seine Soli sogar metallisch klappernd vom Stuhl.

Les Robots Music gehören zu den Attraktionen der Ausstellung „Die Roboter kommen!“ im Museum für Kommunikation. Sie treten in einem Zelt auf, das im Innenhof des Museums aufgeschlagen ist. Auf der Bühne prangt der Schriftzug „Ils jouent sur des Instruments authentiques“, sie spielen authentische Instrumente, darüber schweben Noten, Raketen und ein Satellit. Die Roboterkapelle begann 1958, ein Jahr nach dem „Sputnik-Schock“, durch französische Märkte und Gewerbemessen zu tingeln. Ihre Musikstücke sind auf Lochkarten gespeichert, Blasebälge versorgen Saxofon und Akkordeon mit Luft. Konstruiert wurden die Blechmusiker von Pariser Tüftlern, die Idee dazu ging auf die gemeinsam verbrachte Kriegsgefangenschaft zurück. So stehen die pneumatischen Musikautomaten für den Glauben an eine bessere Zukunft, ihre Vorführung in den Nachkriegsjahren sollte die ungebrochene Innovationskraft der Franzosen demonstrieren.

Die Geschichte der Roboter reicht weit zurück, das zeigt die Ausstellung eindrucksvoll, und natürlich erzählen die Roboter vor allem etwas über die Menschen, die sie gebaut haben. „Die Roboter kommen!“, eigentlich ist das ein irreführender Titel, denn sie sind natürlich schon längst da. Sie schweißen Karosserien, reinigen Fassaden, überwachen Gebäude. Mit den Robotern, wie sie Schriftsteller, Maler, Filmregisseure und andere Utopisten sich ausmalten, haben diese industriellen Helfer allerdings nur wenig gemeinsam. Es sind oft tonnenschwere Apparate mit vielen Gelenken, die sich behände, fast tänzerisch bewegen und physiognomisch allenfalls an Insekten erinnern. Der Mensch hat sich den Roboter aber stets mit Kopf, Augen, Mund, zwei Armen und zwei Beinen vorgestellt, als humanoides Abbild seiner selbst.

Bezeichnenderweise kennt der TÜV den Begriff „Roboter“ nicht, er kategorisiert die Automaten, die heute in den Fabriken ihre Dienste verrichten, stattdessen als „führerlose Transportsysteme“. Auf einem Gesims im Lichthof des Museums wird der Besucher von einem solchen „Transportsystem“ begrüßt, einem wuchtigen, orangefarbenen Industrieroboter, ein Armaturenbrett schwenkend, das er in seinem Alltag in Mercedes-Pkws der S-Klasse einzusetzen hat. Gegenüber, im Eingangsbereich der Ausstellung, sind 265 Spielzeugroboter der Größe nach aufgereiht, eine beeindruckende Blech-und-Plastik-Armee zumeist fernöstlicher Herkunft. Sie stammen aus der Sammlung des Marburger Germanistikprofessors Jörg Jochen Berns, der in seinem Katalogbeitrag die „technomorphen Kunstmenschen“ in sechs Gruppen gliedert: „Kastenförmige“, „Rundliche“, „Ritterartige“, „Skelettartige“, „Tierähnliche“ und „Verwandlungsroboter“.

Historisch setzt die Ausstellung, die knapp 400 Objekte zu einer höchst vergnüglichen Kultur-, Sozial- und Industriegeschichte arrangiert hat, mit der frühen Neuzeit ein. Ritter waren die allerersten Roboter, nur dass in ihnen noch Menschen steckten. Zu sehen ist ein Braunschweiger „Küriss für Feld und Turnier“ aus dem frühen 16. Jahrhundert, ein martialischer, kunstvoll gravierter Kunstkörper. Götz von Berlichingen konnte mit seiner legendären Handprothese, ausgestellt in einer Nachbildung von 1880, Hände schütteln und Gegenstände halten. Allerdings fehlte eine Verdrahtung, das handgeschmiedete Organ musste von der unversehrten linken Hand geöffnet und geschlossen werden.

Kupferstiche eines „Automatischen Flöten-Spielers“ und eines „Zeichner-Automaten“ stehen für die Begeisterung der Aufklärung für die jetzt schon virtuos agierenden Kunstwesen. Friedrich der Große trat gegen einen „Schachtürken“ an, dessen Finger, vom König unbemerkt, durch einen im kastenförmigen Unterbau verborgenen Menschen gesteuert wurden. Der Schöpfer des in den Pariser Salons gefeierten Flötenautomaten wurde von Voltaire als „Rivale des Prometheus“ gewürdigt. Auch Soldaten hielt man nun für „blindlings gehorchende Maschinen“, Georg Büchner verwandelte in seinem Lustspiel „Leonce und Lena“ ein Königspaar kurzerhand in „Walzen und Windschläuche“. Die Feinmechanik solcher Androiden lässt sich in der Schau bei einem über Federspannung angetriebenen mechanischen Trompeter studieren, der Meisterleistung zweier Wiener Uhrmacher von 1816/17.

Das Wort „Roboter“ stammt aus dem Tschechischen, „robot“ lässt sich mit „Arbeit“, „Fronarbeit“, „Zwangsarbeit“ übersetzen. In Karel Capeks Science-FictionDrama „R.U.R. Rossum’s Universal Robots“, 1921 uraufgeführt, übernehmen in Tanks gezüchtete Sklavenarbeiter die Schwerarbeit des Menschen, um bei einem Aufstand ihre Schöpfer zu töten und dann selber, unfähig zur Fortpflanzung, unterzugehen. Eine schwarze Utopie, schnell schlagen die Zukunftsvisionen in kleine Apokalypsen um. In Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“ rebelliert die Unterwelt, angeführt von einer Maschinenfrau, gegen die dekadente Oberschicht, in „Forbidden Planet“, „The Invisible Boy“ oder „The Day the Earth stood still“, B-Movies aus den fünfziger Jahren, landet mit den Robotern meist extraterrestrisches Unheil auf der Erde. „Die Roboter kommen!“ endet trotzdem optimistisch. Im Video zu Björks Triphop-Hymne „All is full of Love“ montieren Industrieroboter einen Androiden mit den Gesichtszügen der Sängerin, der sich sofort in einen anderen Androiden verliebt. Die Androiden küssen sich, und Björk singt: „Schau dich um, alles ist voll Liebe.“ Vorm Kunstmenschen muss der Mensch sich nicht länger fürchten.

Museum für Kommunikation, Leipziger Str. 16, bis 2. 9., Di–Fr 9–17, Sa/So 11–19 Uhr. Katalog 19,80 €. „Les Robots Music“ spielen bis 15. 4. täglich um 11.30, 14 und 16 Uhr.

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