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Kultur: Vagabunden-Kopf

„Der richtige Berliner“ heisst Walther Kiaulehns Buch über die Berliner Sprache. Den richtigen Dieter Hildebrandt möchte man ihn im Unterschied zu dem Kabarettisten gleichen ns nennen - allemal in Berlin, wo er, wie er einmal geschrieben hat, „immer wieder zur Welt gekommen ist.

„Der richtige Berliner“ heisst Walther Kiaulehns Buch über die Berliner Sprache. Den richtigen Dieter Hildebrandt möchte man ihn im Unterschied zu dem Kabarettisten gleichen ns nennen - allemal in Berlin, wo er, wie er einmal geschrieben hat, „immer wieder zur Welt gekommen ist. Dabei ist er alles andere als ein Berufs-Berliner. Als Kulturkorrespondent der FAZ in der gerade geteilten Stadt war er einer der jungen Autoren, die in den sechziger Jahren die Maßstäbe im Feuilleton-Journalismus neu einrammten. Die Schreibe bestimmt, nicht witzelnd, sondern von einem Witz, in dem die großen Autoren des Feuilletons zugegen waren, intellektuell auf der Höhe der Zeit - da war ein Theater- und Literaturkritiker, den man lesen musste. Und der auch noch als Reporter die Grenzen aufzuhalten suchte, die sich damals aufzubauen begannen - „Die Mauer ist keine Grenze“ hieß trotzig das Buch, in dem er in den Jahren nach dem Mauerbau den Alltag im Osten im Bewusstsein der Leser im Westen zu halten suchte.

Seit den 70er Jahren machte sich der Journalist Hildebrandt seltener. Stattdessen trat ein Buchautor von fast exzentrischer Themenbreite auf: eine Lessing-Biographie, ein Buch über die Gestalt des „Saulus/Paulus“, zwei Bücher über das Klavier, als hoch einfallsreiche Kulturgeschichte geschrieben, auch Romane - unter denen der unter dem Titel „Die Leute vom Kurfürstendamm“ natürlich ein Zeugnis seiner ergiebigen Berlin-Liebe und -Kennerschaft ist. Man merkt schon: ein Aufklärer, ein intellektuell vagabundierender Kopf, ein Virtuose im Spiel mit Sicht- und Ausdrucksweisen. Lichtenberg, der zum Weltgeist als Stubenhocker“ wurde - Hildebrandts Formulierung - hätte in ihm den späten Verwandten erkannt. Der Tagesspiegel rechnet es sich zur Ehre an, ihn Anfang der 90er Jahre dazu bewegt zu haben, für seine Leser zwei Jahre lang Woche für Woche eine „Montags-Notiz“ zu schreiben.

Vor ein paar Jahren hat er sich zurückgezogen. Und an diesem Montag fragen wir uns, was er, der fast ein ganzes Leben in und um Berlin gekreist hat, ausgerechnet in Jossgrund-Lettgenbrunn, einer Spessart-Ortschaft mit einem Namen von geradezu Jean-Paulscher Originalität, macht. Denn an diesem Montag wird Dieter Hildebrandt siebzig Jahre alt. Rdh.

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