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Kultur: Vater der Neuen Wilden

Zum 70. des Künstlers Karl-Horst Hödicke

Der Kohlestift ist ein Krieger. Tobt sich auf dem Papier aus, lässt Landschaften beben, erjagt sich „Die schöne Radlerin“ und die bodenschrubbende Bikiniträgerin, umschmeichelt den grausigen Tanz der Göttin Kali und lässt die „Hockende“ erzittern. Kalt oder heiß, nie lauwarm temperiert wirken Karl-Horst Hödickes Kohlezeichnungen aus den Jahren 1975 bis 1982. In der Düsseldorfer Galerie Wolfgang Gmyrek sind 89 Blätter bis zum 5. April zu sehen, heftige Blätter, die begreiflich machen, warum Hödicke als „Vater“ der Neuen Wilden gilt: Künstler wie Helmut Middendorf und Salomé studierten in seiner Malereiklasse an der Berliner Hochschule der Künste, wo er bis 2005 lehrte.

Heute vor 70 Jahren wurde der Künstler in Nürnberg geboren. 1957 zog er nach Westberlin, begann ein TU-Architekturstudium, wechselte bald zur Malerei an die HdK und gründete 1964 mit Markus Lüpertz und Bernd Koberling die legendäre Produzentengalerie „Großgörschen 35“. Obwohl vor allem als bedeutender Vertreter figurativer Nachkriegsmalerei bekannt (neben Baselitz, Immendorff oder Penck), gelangen Hödicke starke Formulierungen auch in anderen Disziplinen. So produzierte er Experimentalfilme während eines Aufenthalts in New York (1966-67) und schuf herausragende Skulpturen. 1985 entstand seine erste Plastik im öffentlichen Raum: in der Bronzefigur „Kaspar“ im rheinischen Viersen mischen sich architektonische mit anthropomorphen Formen.

Das Motiv der Großstadt zieht sich vor allem durch sein malerisches Oeuvre. Es entstehen Gemälde vom Bahnhof Zoo, von der Berliner Mauer und der Hausbesetzerszene der Achtziger. 1986 malt Hödicke das kühn reduzierte Ölbild „Flagge“: Vor grünschwarzer Fläche erhebt sich das Brandenburger Tor, darüber schwebt die deutsche Flagge. Melancholie weht durch die Stadträume, die Hödicke im Atelier in der Dessauer Straße mit Fensterblick nach Osten malt. Jens Hinrichsen

Jens Hinrichsen

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