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Kultur: Vater und Mutter und mein Bruder und ich

In Zeiten von Club- und Eventkultur sind Familienunternehmen eher selten geworden.Wer sich traut, auf Tradition statt Innovation zu setzen, muß sich seiner Sache sicher sein.

In Zeiten von Club- und Eventkultur sind Familienunternehmen eher selten geworden.Wer sich traut, auf Tradition statt Innovation zu setzen, muß sich seiner Sache sicher sein.Daß es um Malerei gehen sollte, stand für Tobias Schrade außer Frage, als er 1996, mit 23 Jahren, einen kleinen Laden am Chamissoplatz mietete.Schließlich war er, der drei Jahre jünger ist als die Galerie seiner Eltern, zwischen Malern und Bildern aufgewachsen; bis 1985 in der Schloßhofgalerie Kißlegg, danach im Barockschloß Mochental am Rande der schwäbischen Alb.Da malten neben seiner Mutter Dorothea auch die Stipendiaten, die in das Schloß eingeladen waren.

Sich aber für die Kunstvermittlung statt für ein Kunststudium wie sein Bruder Daniel zu entscheiden, war für den jüngsten Sohn nicht ganz so einfach.Eigentlich, gesteht Tobias Schrade heute, habe er den Laden mit großem Schaufenster als Atelier ausgewählt.Den Ausschlag für die Galeriearbeit gab schließlich sein Bedürfnis nach Kommunikation.In seinen Ausstellungen spinnt er die Fäden fort aus dem Kunstprogramm seiner Eltern, die mit Antoni Tapies, Günther Uecker, HAP Grieshaber und Georg Meistermann zusammengearbeitet haben.Die aufgeregte Gestik von Walter Stöhrer, die stillen Flächengefüge von Hans Kuhn oder die wilde Figuration von Heimrad Prem finden ein Echo bei den jüngeren Malern, die Schrade in seiner Galerie ausstellt.

Von seinem ursprünglichen Traum, in einem Atelier mit Schaufenster - sozusagen unter aller Augen - zu malen, ist der Wunsch geblieben, die Malerei nicht nur in ihren Ergebnissen, sondern in ihrem Wachstumsprozessen und Veränderungen zu erleben.Anfang 1998 ließ Schrade deshalb die Galeriewände mit Nessel bespannen und dort acht Künstler zusammentreffen; Käufer konnten sich einen Ausschnitt aus dem Ganzen als Bild auswählen.Weniger zufrieden war der Galerist mit dem Experiment, als ein Maler zwei Wochen lang in der Galerie eine Ausstellung vorbereitete.Der Zeitdruck war den Werken nicht bekommen.

Doch es ist gerade das Unkalkulierbare, das Spiel mit dem Zufall und die Lust am offenen Ausgang, die den Galeristen nicht nur an solchen Projekten, sondern an der Malerei selbst interessiert.Auch in den Bildern seines Bruders Daniel Kojo steht die Beobachtung des Bildwerdens selbst im Vordergrund: Wie Flächen aufeinander zuwachsen, Linien Behauptungen aufstellen, Formen an der Grenze des Eindeutigen in der Schwebe gehalten werden.Man spürt, daß der Ausgewogenheit und Ruhe in den Oberflächen eine Zeit vorausging, in der die malerischen Energien auseinanderliefen.Verschiedene Geschwindigkeiten, Ausdauer und Warten haben ebenso ihren Niederschlag gefunden wie die Fähigkeit zur spontanen Entscheidung.Sand gibt den Farben einen rauhen oder samtigen Körper.

Daß man sich an der Kunsthochschule Berlin nicht mehr als "Malsau" auslebt wie an den Akademien in Süddeutschland, bedauert der Galerist.Dennoch hat er auch in Berlin Künstler aufgetan, die in übermalten Holzassemblagen die Dynamik der malerischen Energie in den Raum übergreifen lassen.Über seine Entdeckungen freut sich der junge Galerist nicht nur, weil er Künstler seiner Generation vorstellen will, sondern auch wegen des Heimvorteils.Denn für Künstler aus dem Süden ist es in Berlin doppelt schwer Resonanz und Käufer zu finden.

Galerie Tobias Schrade, Chamissoplatz 4, bis 23.Juni; Dienstag bis Freitag 14 - 18 Uhr, Sonnabend 11 - 14 Uhr.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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