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Verdi konzertant: Packendes Räuberdrama

Felix Krieger und seiner aus Liebhabern wie Profis zusammengesetzten Berliner Operngruppe gelingt mit der Aufführung von Giuseppe Verdis "I Masnadieri" ein Abend, der durch dramatische Intensität begeistert.

Eine unbekannte Erscheinung ist Berliner Operngruppe im Musikleben der Hauptstadt nicht mehr - und trotzdem reibt man sich am Morgen nach der Aufführung einmal mehr die Ohren und fragt sich, wie so etwas möglich ist. Gegenstand der Verblüffung ist die Aufführung von Giuseppe Verdis Melodramma tragico „I Masnadieri“. Seit 60 Jahren soll das auf Schillers „Räubern“ basierende Werk, mit dem sich Verdi auf den Weg zu seiner späten Meisterschaft begibt, nicht in Berlin zu hören gewesen sein - und der Dirigent Felix Krieger sowie seine Musiker setzen alles daran, ihrem Publikum bewusst zu machen, wie sträflich diese Vernachlässigung war. Abermals ist es Krieger gelungen, für eine einzige Aufführung eine Elite unter Berlins Amateurmusikern mit professionellen Musikern und veritablen Gesangsstars im Konzerthaus zu versammeln. Das Ergebnis ist ein Opernabend, der auch im Orchester durch große stilistische Sicherheit sowie insgesamt durch seine durchgehende dramatische Intensität begeistert. Dass man die Bühne keinen Augenblick vermisst, liegt nicht nur an der Farbigkeit von Verdis Musik, sondern durchaus auch an der „halbszenischen“ Einrichtung durch Isabel Ostermann: Ohne Anspruch darauf zu erheben, eine über die Musik hinausgehende eigenständige Interpretation zu liefern, bewahrt sie die ohne Noten agierenden Sänger vor dem Chargieren und sorgt mit klar gesetzten Personenarrangements dafür, dass der dramatische Verlauf auch ohne Libretto leicht nachzuvollziehen ist. Aurelia Florian als Amalia mit traumhaft sicher angesteuerter schimmernder Höhe, Alfredo Daza als mit dunkler Baritonmaterie angefüllter Bösewicht Francesco oder der Bass Francesco Ellero d'Artegna als ausdrucksstarker aber angenehm unsentimentaler Vater Massimiliano Moor - jedem Mitglied im ausnahmslos beglückenden Cast merkt man die Lust an, mit der Rolle stimmlich wie körperlich verschmelzen zu dürfen. Der herausragende Interpret es Abends ist aber der Tenor Xavier Cortes als Carlo, weil er am deutlichsten von allen Sängern auch Feinheiten der Belcantotradition des frühen 19. Jahrhunderts in die Interpretation dieses Meisterwerks des Übergangs einbezieht: Dank der rhetorischen Klarheit seiner Deklamation, der Natürlichkeit seiner Fiorituren und seiner Fähigkeit, selbst vermeintlichen Füllwörtern in Kadenzen eine klare dramatische Bedeutung zu verleihen, wird bei ihm am eindrucksvollsten erlebbar, warum Verdi kein Spätzünder war.

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