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Verlage: Wenn die Sonne im Osten und im Westen untergeht

Zwei Traditionsverlage in Not: Die Krisen bei Aufbau und Suhrkamp – und ihre Vergleichbarkeit.

Als letzte Woche bekannt gegeben wurde, dass der Suhrkamp-Geschäftsführer Philip Roeder demnächst zum Hörverlag wechseln werde, sorgte diese Meldung für wenig Aufsehen. Das ist erstaunlich, bedenkt man, wie sehr Suhrkamp-Personalien dieser Art in den letzten Jahren für Aufruhr in den Feuilletons sorgten, zumal auch Petra Büscher, die Leiterin der Presseabteilung, den Verlag verlässt und ein paar Monate zuvor Michi Strausfeld, die langjährige Lektorin für den spanisch-portugiesischsprachigen Raum, ihre Kündigung eingereicht hatte. Das Ganze ist wiederum weniger erstaunlich, berücksichtigt man, wie sehr zu diesem Zeitpunkt die literarische Welt durch das Drama beim Aufbau-Verlag in Anspruch genommen war und dass sich bei Suhrkamp-Turbulenzen ein Gewöhnungseffekt eingestellt hat.

Trotzdem weist die Roeder-Meldung parallel zur Aufbau-Insolvenz darauf hin, dass es bei Suhrkamp in Frankfurt weiterhin rumort. Und dass hier ausgerechnet zwei Traditionsverlage ins Schlingern geraten sind. Der eine, Aufbau, kämpft ums Überleben – und wird vermutlich verkauft. Gerade erst haben seine Lektoren in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erklärt, sich mit ganzem Herzen für den Fortbestand von Aufbau einzusetzen – anders als Bernd F. Lunkewitz, dem sie vorwerfen, „seine Investitionen nicht um der Literatur und der Autoren willen getätigt“ zu haben, „sondern um für den Prozessausgang gewappnet zu sein – der Verlag dient ihm als Drohmittel und Bauernopfer in einem Millionenpoker.“ Der andere Verlag, Suhrkamp, kämpft mit besseren Aussichten, auch wenn undurchsichtig ist, wie es um seine ökonomische Situation bestellt ist.

Was genauso auffällig ist: Der eine ist der Vorzeigeverlag aus dem Westen, der alten Bundesrepublik, einst zuständig gleich für eine ganze Kultur, die „Suhrkamp-Kultur“. Der andere gilt als einstiger Vorzeigeverlag aus dem Osten, der untergegangenen DDR, seinerzeit zuständig für gewissenhafte Klassikerausgaben, zuweilen auch für ein wenig dissidente Literatur, die bessere DDR, wenn man so will, nicht zuletzt gern schon mal bezeichnet als „Suhrkamp des Ostens“.

Natürlich lassen sich beide Fälle, die beliebte Suhrkamp-Soap und der spannend komplizierte Aufbau-Krimi zunächst nicht einfach vergleichen. Bei Suhrkamp hat es Siegfried Unseld lange Jahre nicht vermocht, einen Nachfolger für sich zu finden, und als er 2002 starb, hat sich dann eben seine Witwe Ulla Unseld-Berkéwicz stark genug gefühlt, gegen Widerstände aus den Suhrkamp-Reihen die Verlagsgeschäfte übernehmen zu können, mit den bekannten Folgen: Von den Leuten, die beim Tod von Unseld noch in den wichtigsten Positionen des Verlags saßen, in Geschäftsführung, Programmleitung, Stiftungsrat, arbeitet heute keiner mehr bei Suhrkamp – außer der Suhrkamp-Anwalt Heinrich Lübbert.

Letzteres ist durchaus symbolhaft: Lübbert hat ja genug zu tun und ist wichtiger denn je, seit der Verkauf von Suhrkamp- Anteilen durch den Schweizer Andreas Reinhart an die Hamburger Geschäftsleute Claus Grossner und Hans Barlach und deren Medienholding Winterthur AG für viel Unruhe sorgte. Grossner hat sich inzwischen als Windhund entlarvt. Doch Barlach streitet mit der Suhrkamp-Verlegerin weiterhin vor Gericht: Die Medienholding hat eine Feststellungsklage erhoben, will als rechtmäßige Gesellschafterin anerkannt werden. Das wiederum lehnt Unseld-Berkéwicz komplett ab, sie hat auf den Ausschluss der Medienholding als Suhrkamp-Gesellschafter geklagt. Einen mündlichen Termin gab es neulich, im Lauf des Jahres soll es einen Verkündungstermin geben, falls die Streitparteien keinen Vergleich finden, zu dem sie das Gericht ausdrücklich aufgefordert hat.

Sind es bei Suhrkamp also viele innere Zwistigkeiten, die sich vor allem an der Person Unseld-Berkéwicz und ihrer Verlagsführung entzünden und durch die Drohung einer feindlichen Übernahme neuen Zündstoff bekamen, so liegt der Fall bei Aufbau ganz anders: Die Wirren nach Wiedervereinigung und Währungsunion, die den Verlag zunächst fast ruinierten; sein nicht korrekter Verkauf durch die Treuhand an Bernd F. Lunkewitz und eine Investorengruppe, der einen zweiten Kauf von Lunkewitz beim eigentlichen Besitzer, dem Kulturbund, nach sich zog; die Unlust von Lunkewitz, weiterhin Geld in eine „vermögenslose Hülle“ zu stecken. Und nun die Insolvenz und der Streit darum, wer eigentlich sich als Eigentümer des „wahren“ Aufbau- Verlags nennen darf. Wer im Besitz vor allem der Autorenrechte ist und wer das alles veräußern darf – das lässt sich mit Suhrkamp kaum vergleichen.

Was sich ähnelt: Bei beiden Verlagen ist nach der Wende mit mäßigem Erfolg versucht worden, Tradition und die ökonomischen Vorgaben des Buchmarktes in Einklang zu bringen. Suhrkamps große Bestseller lassen sich an einer Hand abzählen (Walser, solange er noch bei Suhrkamp war; Allende, Zafon, der auch schon Ex-Autor ist), da ist es die Backlist, die den Verlag ökonomisch stützt. Bei Aufbau hat sich Lunkewitz verlegerisch mit Büchern wie den Erinnerungen von Stefan Effenberg auf den Boulevard begeben, hat schöne Erfolge mit den Tagebüchern von Victor Klemperer oder Werner Bräunigs Roman „Rummelplatz“ erzielt, hat eine Bestsellerautorin wie Fred Vargas an den Verlag gebunden, ohne dass das alles für entscheidend größere Umsätze gesorgt hätte.

Schaut man sich die kommenden Herbstprogramme beider Verlage an, kann man nur den Hut ziehen: Suhrkamp hat ein interessantes deutschsprachiges Programm wie lange nicht: neue Romane von Uwe Tellkamp, Dietmar Dath oder Thomas Meinecke, von Angloamerikanern wie Magnus Mills und William T. Vollman, ein neues Buch von Rainald Goetz, dazu eines des frischgebackenen Büchnerpreisträgers Josef Winkler. Nach durchschlagenden Gewinnen sieht das aber nicht aus, da muss es dann Isabel Allende wieder richten mit einem Erinnerungsbuch „Das Siegel der Tage“. Bei Aufbau genauso: Brigitte Reimanns Briefe aus dem Nachlass an die Eltern, anlässlich ihres 75. Geburtstags, Romane von Hans-Joachim Schertenleib, Gabriele Wohmann oder dem Niederländer Tomas Lieske (der früher erfolglos von Rowohlt verlegt wurde). Dazu kommen neue Krimis von Fred Vargas, Deon Meyer und Bernhard Jaumann, die es reißen müssen.

Bei Aufbau ist die Krise offenbar. Da macht es den Anschein, als reiche auch ein noch so attraktives Programm nicht, um die vielen widerstreitenden Interessen (Lunkewitz, Geschäftsführung, neue Partner) bündeln und im Sinn einer Rettung des Verlags einsetzen zu können. Und bei Suhrkamp erstaunt die Programmvielfalt, die neuen, zumindest sehr wohlwollend rezipierten Reihen Verlag der Weltreligionen und Edition Unseld, die Menge an Büchern, die der Verlag überhaupt veröffentlicht, gegen jede ökonomische Vernunft – und wie der Verlag sich das überhaupt immer wieder leisten kann. „Wann schreibt eigentlich einmal jemand, wie zerrüttet und heruntergewirtschaftet der Suhrkamp Verlag ist?“, hört man immer mal wieder hinter vorgehaltener Hand aus konkurrierenden Verlagen. Mal abgesehen davon, dass dazu Einsicht in die Wirtschaftsbücher vonnöten wäre, eine genaue Kenntnis über Vermögenswerte – das Herbstprogramm sieht nicht so aus, als würde der Suhrkamp Verlag dem Aufbau-Verlag schon bald in die Insolvenz folgen.

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