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Konsequent. Elisabeth Ruge kämpfte beim Mutterhaus Bloomsbury in London um eine Autonomie, die man ihr nicht zugestehen wollte. Nun geht sie.

© Berlin Verlag

Verlagswesen: Ende der Unabhängigkeit

Wie verlegt man Bücher in globalisierten Zeiten? Elisabeth Ruge geht beim Berlin Verlag von Bord. Sie kämpfte um eine verlegerische Autonomie, die man ihr nicht mehr zugestehen wollte.

Von Gregor Dotzauer

Elisabeth Ruge, die verlegerische Geschäftsführerin des Berlin Verlags seit 2005, verlässt das von ihr mitgegründete Unternehmen zum 15. März. In einer Hausmitteilung ist zwar von einer einvernehmlichen Trennung die Rede. Die Spannungen zwischen dem Verlag und seinem Londoner Mutterhaus Bloomsbury sind aber seit Wochen evident. Nigel Newton, Gründer und Chief Executive der Bloomsbury-Gruppe, hatte kürzlich bekannt gegeben, künftig alle zum Unternehmen gehörenden Häuser zentral von England aus zu führen. Dieser Schritt, so Newton, sei als Reaktion auf die rasante Globalisierung des Verlagswesens unvermeidlich.

Dass im damals ausgegebenen Organigramm der restrukturierten Bloomsbury-Gruppe die Führungsebene um Elisabeth Ruge gar nicht mehr aufgeführt war, sorgte nicht nur in der Greifswalder Straße, wo das Unternehmen residiert, für Verwunderung. Dem Vernehmen nach kämpfte Elisabeth Ruge in London um eine verlegerische Autonomie, die man ihr nicht mehr zugestehen wollte. Dass sie nun, fast mit sofortiger Wirkung, ihren Schreibtisch räumt, spricht für eine kompromisslose Linie bei der Durchsetzung der Vorgaben.

Für den Berlin Verlag ist Elisabeths Ruges Demission besonders bitter, weil für den Preis der Leipziger Buchmesse gerade drei Titel nominiert sind, die unter zentraler Lenkung kaum veröffentlicht worden wären: Henning Ritters „Notizhefte“ in der Kategorie Sachbuch, Anna Katharina Fröhlichs Roman „Kream Korner“ und Terézia Moras Übersetzung von Péter Esterházys „Ein Produktionsroman (zwei Produktionsromane)“. Keiner dieser Titel hat das Zeug, jener Bestseller zu werden, den der Verlag, zu dessen Autoren auch der amerikanische Großschriftsteller Richard Ford gehört, dringend wieder einmal bräuchte. So rettete das Herbstgeschäft die Taschenbuchausgabe von Elizabeth Gilberts „Eat Pray Love“.

Auch bei Bloomsbury weiß man aber, welches Renommee der Berlin Verlag durch seine Chefin gewonnen hat. In der Hausmitteilung dankt man Elisabeth Ruge ausdrücklich „für ihre erfolgreiche, engagierte Arbeit, die das Erscheinen so bedeutender Bücher wie der Romane von Ingo Schulze, Zeruya Shalev, Elke Schmitter, Péter Esterházy und Péter Nadás sowie Jonathan Littells NS-Epos ,Die Wohlgesinnten‘, Orlando Figes Stalinismus-Geschichte ‚Die Flüsterer‘ sowie jüngst der Berthold-Beitz-Biografie von Joachim Käppner ermöglicht hat.“

Elisabeth Ruge, die erst vor einem Jahr den Wissenschaftsverlag Berlin Academic als Imprint gegründet hatte, ist die erste Leidtragende eines Dilemmas, das auch andere Verlage noch ereilen wird. Denn so unbestreitbar die Globalisierung ist – vor allem der Vertriebswege, so gilt für fast alle Branchen, dass zentrale Strukturen die Besonderheit lokaler Märkte nicht erfassen können, in der Literatur mehr als auf anderen Gebieten. Vermutlich lässt sich nicht einmal belletristische Massenware weltweit einheitlich mit denselben Marketingmaßnahmen verkaufen. So erwartet den Berlin Verlag ein Experiment, dessen Ausgang auch für die übrige Belegschaft ungewiss ist.

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