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Kultur: Verschwende deine Jugend

Als der Jet-Set noch geholfen hat: Hamburg entdeckt das künstlerische Œuvre von Gunter Sachs

Ein Gruppe junger Menschen am Strand, irgendwo in Südfrankreich. Punktebikinis, enge Badehosen, die Hemden sommerlich über dem Bauchnabel zugebunden. Ein strahlendes Lächeln an Deck eines Riva-Motorboots in St.Tropez. Eine Runde Wasserski. Bilder eines jungen, reichen Lebens en mouvement. Es sind Szenen einer Jeunesse Dorée der Sechzigerjahre, mit denen das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe eine Ausstellung eröffnet, die das fotografische Werk von Gunter Sachs präsentiert. Aus Schnappschüssen wurde Profession: Nach seinen Anfängen als Dokumentarfilmer fotografiert Sachs seit den Siebzigerjahren für Modemagazine und Firmen wie Bally, Polaroid, de Sede oder Castrol. Mit der ersten Aktaufnahme in der französischen Vogue wird er 1971 als Fotograf bekannt.

Als Hommage an das viel zitierte „ewig Weibliche“ sehen die Ausstellungsmacher das Werk des Jet-Set-Paradiesvogels – und tatsächlich gibt es kaum eine Fotografie von Sachs, auf der keine Frau zu sehen ist. Die Hochglanzbilder von sich im Sande räkelnden, im Wasser spielenden, von Tüchern umwehten Models sind aber nur die eine Seite des Lebens von Gunter Sachs. Seit den Fünfzigerjahren sammelt Sachs zeitgenössische Kunst: Bilder des damals noch nicht durchgesetzten Nouveau Réalisme, des Informel und der Pop Art. Er eröffnete in seiner Hamburger Galerie an der Milchstraße die erste europäische Andy-Warhol-Schau. Sein Münchner „Modern Art Museum“, das er 1965 gründete, sieht er selbst als „musée engagé“: Ein Museum, das „die Persönlichkeit des Künstlers stärker in Ausstellungen und in die Berichterstattung einbezieht“.

Hilfreich für den Sammler war die Freundschaft mit Künstlern des „Nouveau Réalisme“ und der Pop Art, mit César, Allen Jones und Roy Lichtenstein. So ist der Höhepunkt der Hamburger Ausstellung auch eine Rauminstallation, die an ein legendäres Gesamtkunstwerk erinnert. 1968 erwarb Gunter Sachs das Wohnrecht im abgebrannten und wieder aufgebauten Turm des Palace-Hotels in St. Moritz. Künstler wie Tom Wesselman, Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Allen Jones gestalteten 1969 seine Turmwohnung – als Beweis eines unübertroffenen Lifestyle: Da hängen Warhol-Siebdrucke neben großen Akten von Tom Wesselman; gemütlich gemacht haben es sich Sachs und seine Freunde auf den Fieberglas-Puppen von Allen Jones. In der Küche lacht vielfarbig Warhols Marilyn, und auf dem Bett droht die Siebdruck-Faust von Lichtenstein. Seit 1991 ist der Turm geschlossen, die Pop Art-Wohnung von St. Moritz wurde eingelagert. Für die Hamburger Ausstellung wurde sie zum ersten Mal nachgestellt.

In den Neunzigern entdeckt Sachs die Digitalfotografie und beginnt, Digitalcomposings zu gestalten. Alles ist möglich – jetzt schlägt die Fantasie Purzelbäume. Da steht eine Frau in Weiß in der Wüste, im Vordergrund liegen Tierskelette, Baggerschaufeln gehen auf Menschenjagd, da posieren Frauen in Lackstiefeln vor glänzenden Hochhausfassaden, Nonnen, Elfen und geklonte Amazonen bevölkern surrealistische Traumlandschaften.

Am schönsten sind indes die Dokumentarfotos dieser schnellen, herrlich verschwendeten Jugend: Sachs auf dem Motorrad, der legendären „Mammut“, Sachs mit Brigitte Bardot in Cannes und 1964 mit Mantel und Regenschirm auf dem Roten Platz. Ein Leben in permanenter Bewegung, voll wunderbarer „joie du vivre“. Es machte Spaß, reich zu sein und Zeit zu haben.

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, bis 21. September 2003, Di bis So 10 bis 18 Uhr. Zur Ausstellung erscheint im Knesebeck-Verlag ein Bildband (58 Euro).

Marc Peschke

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