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Kultur: Verschwörung im Container

Der „New Underground“ im Schirrhof der Schiffbauergasse / Monika Weiss an „konspirativem Ort“

Ort ohne Patina oder Verschwörung im Container. Da waren ja tolle Strategen am Werk, den alten Schirrhof denkmalgerecht zu rekonstruieren, als toten Platz, oder wie Matthias Platzeck es formulierte, als Ort „ohne Patina“. Außerhalb der wenigen Events ist zum Leidwesen der „Anrainer“ da draußen einfach nichts los. Es gibt nicht mal einen Kopf, der das Vorhandene und das Mögliche im ummauerten Geviert auch koordinieren könnte. Alles fein und steril und ordentlich zu, alles tot mitten im soziokulturellen Zentrum von Potsdam. Da ist mal wieder Eigeninitiative gefragt.

Mit finanzieller Unterstützung des Kulturamtes soll nun der „Trollwerk“-Verein den toten Winkel in einen offenen, öffentlichen Raum verwandeln. Unter der Kampfparole „New Underground“ will man hier den Sommer über einen so auch benannten „konspirativen Ort“ schaffen, damit Kunst jenseits von Mainstream und Gefälligkeiten wieder zu seinen kritischen, vermeintlich unzensierten Wurzeln zurückkehren könne. Klingt gut, klingt jung, klingt frisch. Und wie soll das gehen?

Indem man, mitten auf dem denkmalgeschützten Schirrhof, peu a peu geschlossene Räume errichtet. „Temporary Art Zone I“, ein Container, der wie eine Bushaltestelle aussieht, machte bereits den Anfang. Zusammen mit einem Mini-Cafe, einen Sandspielplatz für Klein und Groß, Sommerbar und etlichen Fotos, welche den Urzustand des Areals zeigen, möchte Trollwerk so einen Begegnungsort simulieren.

Wie im Baukastensystem der internationalen Raumstation ISS kommt jetzt „Temporary Art Zone II“ dazu, also Container Nummer zwei, diesmal ein verdunkelter und geschlossener Raum. Darin findet das 26-minütige Kunstereignis Nummer Eins statt, eine vielgeschichtete Videoarbeit der in New York lebenden Polin Monika Weiss über eine Nazi-Untat, die sich im Zusammenhang mit dem Warschauer Aufstand im August 1944 zutrug: Nachdem die polnische Exilregierung für Warschau den Aufstand ausgerufen hatte, reagierten die Deutschen erwartungsgemäß mit Härte. Sie setzten tausendachthundert Patienten eines Hospitals einfach auf die Straße, sie dort ihrem Schicksal überlassend. Eine damals vierzehnjährige Krankenschwester war dabei, sie erzählt im Video auf Polnisch, was damals geschah. Die zweite Wortebene in der deutschen Version besteht aus etlichen „Faust II“-Zitaten. Neben Lamenti von Purcell und Bach zeigt die optische Ebene unter anderem das vermeintliche Klagen einer Frau. Allerdings sieht das im Ernstfall doch etwas anders aus, als die Schauspielerin es so hehr und stilvoll vermitteln will. Klagen, mehr als Worte es können, kommentierte Monika Weiss ihr „lament 2“, das dann nach Portugal weiterreist. Gibt es dazu nun auch begleitende Gespräche, irgendetwas drumherum, oder bleibt hier die Kunst im Container allein? Ab 6. August jedenfalls präsentiert sich nach Ende des ersten Ausstellungsteils die Potsdamer Künstlergruppe „Tripper“.

Der radelnde Kurator Eric Bruinenberg träumt und schwärmt von wahrlich Großem in spe: Er will auf dem Schirrhof Ausstellungen, Punk- und Opernabende organisieren, Performances und Filme herbeischaffen, international, unzensiert, und zum Wohle des „New Underground“. Wäre das wirklich so, hätte die Staatsmacht wohl längst ihre Staatswacht geweckt, und Aus wäre es mit der Patina. Dann aber hätte wenigstens der Schirrhof sein großes Ereignis. Aber so, ganz allein, und per Container? Na ja, wer schon mal einen Blick auf die vielleicht sogar bildenden Werke von Ali Kepenek (ab 27. August) und Andreas Haltermann (ab 24. September) riskiert hat, ahnt zumindest, was da mit „Underground“ gemeint sein könnte, im Container. Das alles entbindet die Offiziellen nicht, ihr „soziokulturelles“ Versprechen auch auf dem offenen Platz einzulösen, damit die kulturelle Öde open air ein Ende hat. Alles fein unter Dach und Fach reicht nicht.

Das Video „Lament 2“ läuft bis zum 1. August, Do - Sa 18-23 Uhr.

Gerold Paul

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