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Kultur: Verteidigung der Glühbirne

Die Energiesparlüge: „Bulb Fiction“ im Kino.

Die EU-Verordnung Nr. 244/2009 macht ganz schön Ärger: Gegen das Verkaufsverbot von traditionellen Glühlampen für private Haushalte gibt es zunehmend gesundheitliche und ökologische Einwände. Die Gefahren der Energiesparlampe wurden schöngerechnet, ebenso die Einsparerfolge der neuen Technologie. So heißt es jedenfalls im Dokumentarfilm „Bulb Fiction“, der den aktuellen Wissensstand zum Komplex Glühlampe veranschaulicht . Mit Beispielen wie der – leicht effekthascherisch aufgezogenen – Geschichte eines Vierjährigen, der nach einer zerbrochenen Energiesparlampe an einer Quecksilbervergiftung laboriert. Mit Experimenten, die deutlich überhöhte Quecksilberwerte nachweisen. Und mit Gesprächen, die auch die politischen Umstände des Glühlampenverbots beleuchten, das ohne demokratische Abstimmung rein bürokratisch umgesetzt wurde.

Eine traurige Rolle spielt Greenpeace. Angesichts der vermeintlichen win-win-Situation witterte die Organisation offenbar einen schnellen Erfolg und überging kurzerhand Studien, die dem widersprachen. Rechnet man Ersatzeffekte heraus und kalkuliert den Anteil privater Beleuchtung am Gesamtenergieverbrauch realistisch, ist der Spareffekt wohl tatsächlich gering. So haben die Österreicher Christoph Mayr (Buch und Regie) und Moritz Gieselmann (Idee und Kamera) recherchiert, dass nicht die Umwelt vom Glühbirnenverbot profitiert, sondern die Riege der Hersteller.

Bei Ausflügen in die Anfangszeit des elektrischen Lichts erfährt der Zuschauer, dass schon in den 30er Jahren ein Glühlampenkartell für die Reduzierung der Haltbarkeit auf (heute noch avisierte) 1000 Stunden sorgte. Schon damals waren Osram und Philips dabei. Zum Krimi wird die Chose beim nur angedeuteten Fall des Erfinders Dieter Binninger, der 1991 die Produktion einer 150 000-Stunden-Glühlampe in den ehemaligen Berliner Narva-Werken plante, doch bei einem ungeklärten Flugzeugabsturz ums Leben kam: Stoff für einen weiteren Film. Überhaupt brannten im Osten die Birnen länger ...

Auch das herrlich hintersinnige Heatball-Projekt und ein Grundkurs in Lichtbiologie fehlen nicht. Der Baubiologe Wolfgang Maes intoniert die spektralen Zahnlücken des Energiesparlichts als grässliches Störgeräusch. Befremdlich bleibt nur, dass der stilistisch in der Manier von „Plastic Planet“ oder „Taste the Waste“ gestaltete Film sein Publikum immer wieder mit dem massiven Einsatz musikalischer Überrumpelung verschreckt. Große Wirkung möchte man dem Film trotzdem wünschen. EU-Verordnungen lassen sich ändern. Silvia Hallensleben

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