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Kultur: Verwandlungskünste

Reinhard Goebel und die Musica Antiqua Köln im KammermusiksaalVON BORIS KEHRMANNIn den letzten zehn Jahren haben sich Reinhard Goebel und sein Ensemble Musica Antiqua Köln intensiv mit der Dresdener Hofmusik des 18.Jahrhunderts beschäftigt und dort viel Wichtiges aufgespürt und wieder bekannt gemacht.

Reinhard Goebel und die Musica Antiqua Köln im KammermusiksaalVON BORIS KEHRMANNIn den letzten zehn Jahren haben sich Reinhard Goebel und sein Ensemble Musica Antiqua Köln intensiv mit der Dresdener Hofmusik des 18.Jahrhunderts beschäftigt und dort viel Wichtiges aufgespürt und wieder bekannt gemacht.Nun wendet man sich der Musik des 17.Jahrhundert in der sächsischen Residenz zu: es ist das erste Jahrhundert der technisch vollständig ausgereiften Violine.Mit ihr fanden das Virtuosentum und die Gattung der Sonate in Deutschland und Österreich Verbreitung.Den italienischen und deutschen Virtuosen-Komponisten, die am Dresdener Hof Ensemble-Sonaten schrieben, war das Programm der Musica Antiqua im Kammermusiksaal gewidmet. Dabei wurde deutlich, welch schiere Freude allein der schmelzende Klang des vervollkommneten Instruments damals bereitete und heute noch bereiten kann.Der Heinrich Schütz-Schüler Clemens Thieme etwa horcht den langausgehaltenen Tönen in den oft nur wenige Takte umfassenden langsamen Sätzen seiner beiden Sonaten für vier Bratschen und Continuo förmlich nach.Musica Antiqua spielt sie fast ohne Vibrato, bis ein sanftes Beben des Bogens vernehmbare Schwingungen erzeugt.In den Sonaten des Pietro Andrea Ziani werden aus diesen Trillern Motive mit vielfachen Wiederholungen desselben Tons geboren, die sich durch alle Stimmen hindurch jagen. Daß die Literatur für Streichinstrumente auch am Dresdener Hof die Komponisten zu Klangexperimenten in Fülle herausgefordert hat, macht sie kurzweilig und überraschend.Den Vogel schoß dabei wohl der seit etwa 1620 in Sachsen wirkende mantuanische Virtuose Carlo Farina mit seinem schon damals zu Recht berühmtem "Capriccio stravagante" ab.Die Modetänze, die er in diesem Potpourri teils collagiert, teils parodiert sind kaum zu zählen.Aber nicht nur zum Tanz kann sein Instrument aufspielen.Seine Verwandlungskünste sind unerschöpflich, und so wurden von der Gitarre bis zum Dudelsack die verschiedensten Instrumente imitiert, vom körperlosen sul ponticello-Spiel bis zur sautillé-Technik die verschiedensten Klangvarianten vorgeführt und das Ganze durch einen falschspielenden Organisten und eine veritable Katzenmusik, die in Mäusejagd und Händegebalk endet, von der Musica Antiqua Köln höchst vergnüglich aufbereitet.

BORIS KEHRMANN

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