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Kultur: Verwende deine Laster

COMEDY

„Herrliches Camping-Wetter!“, ruft der Herr im dunklen Anzug begeistert ins dampfende Spiegelzelt hinein – und man wundert sich, warum seine angespitze Haarpracht nicht einfach zusammenfällt in der feuchten Hitze dieser Premierennacht. Die Badehose hätte in der Bar jeder Vernunft ein durchaus angemessenes Bekleidungsstück abgegeben. Doch Götz Alsmann , den Thor Heyerdahl des deutschen Schlagers, drängt es noch weiter hinaus als nach Wannsee. Mit Fernweh schaut er durch seine kräftige Brille, seit jenem liederseligen Ferienlager 1964 mit Schwester Walburga in den sanften Löslandschaften bei Münster. Von da an immer diese unstillbare Sehnsucht, die sich am besten mit den Außenseitern des Zoos teilen ließ, am Gehege von Schabrackentapir und Nacktnasenwombat. Mit jenem Plumpbeutler aus Tasmanien verbindet den inzwischen ausgewachsenen Alsmann die Leidenschaft am Graben. Kraftvoll schlägt er seine Klauen in die morschen Archivschachteln deutschen Unterhaltungserbes, peppt mit seiner furiosen Band selbst Heinz-Erhardt-Nettigkeiten zu pulsierendem Schlagerjazz auf. Omas goldige Mokkasammeltasse zittert aufgeregt einem heißen Rendezvous entgegen, das Meeresrauschen von Nizza und Portofino lockt lodernde Herzen, Tschaikowsky findet seine späte Erlösung in einem marodierenden Mambo. Alsmann spielt mit der Perfektion des Besessenen, singt mit der Stimme des Berufenen – und moderiert mit dem beißenden Charme einer Hyäne. Auf seiner Reise ist nichts Tabu! – außer musikalische Pauschal-Animation (noch bis zum 15. Juni).

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