zum Hauptinhalt

Kultur: VeteranengipfelAkademie: Architekten streiten über die Interbau

Die Berliner Akademie der Künste richtet in diesem Herbst ein Architekturfest am Hanseatenweg aus: Mit Ausstellungen zum Deutschen Werkbund (Tsp. vom 16.

Die Berliner Akademie der Künste richtet in diesem Herbst ein Architekturfest am Hanseatenweg aus: Mit Ausstellungen zum Deutschen Werkbund (Tsp. vom 16. 9.), Hans Poelzig (ab 14. 10.) und das Hansaviertel (bis 18. 11.) zeichnet sie unterschiedliche Facetten der Moderne nach. Wie lebendig die schon oft totgesagte Moderne tatsächlich ist, bewiesen auch die Podiumsteilnehmer einer Hansaviertel-Diskussion. Moderiert von Werner Durth, berichteten sie als Zeitzeugen von ihren Erfahrungen mit der Interbau 1957. Sie präsentierten die personifizierte Berliner Baugeschichte und boten damit ein höchst unterhaltsames Architekturerlebnis mit Seltenheitswert.

Wer allerdings vermutete, hier würde ein einseitiges Loblied auf das Hansaviertel angestimmt, der sah sich getäuscht. Bissig kritisierte der langjährige Senatsbaudirektor Hans Christian Müller (Jahrgang 1921), der als einer der jüngsten Architekten am Hansaviertel mitbauen durfte, die vorherrschende „Zeileritis“: „Die Häuserzeilen wurden auf dem Modellplateau hin- und hergeschoben.“ Eine Kerbe in die auch der Stadtplaner Friedrich Spengelin (Jahrgang 1925) schlug, der 1958 den im Westteil der Stadt ausgeschriebenen (aber nie verwirklichten) Wettbewerb „Hauptstadt Berlin“ gewonnen hatte. Der Architekturkritiker Bruno Flierl (Jahrgang 1927), damals Grenzgänger aus dem sozialistischen Ostteil der Stadt, erinnerte sich zwar wohlwollend der Modernität von Material und Technik im Hansaviertel. „Doch es war nicht der Typ neue Stadt, den wir uns vorstellten, bloß eine Ausstellung.“ Hier sei die alte Stadt Preis gegeben worden und an ihrer Stelle keine kompakte Urbanität entstanden.

War 1957 also alles falsch gewesen? Oder wurde der Blick der Moderne-Veteranen zurück auf die Interbau durch 50 Jahre Moderne-Kritik getrübt? Architekt Hinrich Baller (Jahrgang 1936) jedenfalls gewann dem Hansaviertel eine völlig andere Seite ab: Als junger Student führte er rund 10 000 Besucher durch die Interbau. „Es hat keinen gegeben, der nicht begeistert gewesen wäre – bis auf die Architekten, die an allem rummäkelten.“ Geprägt durch die Kriegserfahrung weiß Baller der durchgrünten Stadtlandschaft des Hansaviertels bis heute eine poetische Qualität abzugewinnen, die das „Steinerne Berlin“ nie besaß. Jürgen Tietz

Jürgen Tietz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false