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Im falschen Gewand. Moritz Bleibtreu, Georg Friedrich und Ursula Strauss.

© Filmladen

Berlinale: Victorious Basterd

Doppeltes Doppelspiel: „Mein bester Feind“, eine Juden-Nazi-Komödie mit Moritz Bleibtreu.

Original oder Fälschung? Das ist hier die Frage. Hat der jüdische KZ-Insasse vielleicht in Wirklichkeit eine astreine SS- Biografie? Hat der Nazi, der womöglich ein Jude in SS-Uniform ist, tatsächlich arische Wurzeln? Wer ist hier in wirklich wahrster Wahrheit der Nazi und wer die kostümierte Fälschung? Und: Was ist eigentlich mit der Michelangelo-Zeichnung aus der Wiener Galerie Kaufmann – ist die nun echt oder nicht? Das Drehbuch des österreichisch-jüdischen Autors Paul Hengge – basierend auf seinem Roman „Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben“ – treibt geschickt ein doppeltes Doppelspiel. Es führt die Jugendfreunde Victor (Moritz Bleibtreu) und Rudi (Georg Friedrich) in komplett entgegengesetzte Richtungen. Und lässt aus den größten Freunden beste Feinde werden.

Der Wiener Regisseur Wolfgang Murnberger, eigentlich ein unerschrockener Berseker („Der Knochenmann“), hat vorab seinen Respekt vor diesem Stoff bekundet. Beim Hochseilbalanceakt einer Juden-Nazi-Komödie wollte er bloß nicht danebentreten. Und das mag ja vor dem Hintergrund der hitzigen Diskussionen, die es einst um Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ und Dani Levys „Mein Führer“ gegeben hat, auch verständlich sein. Doch in den schwindligen Höhen scheint Murnberger – dem Freund alles Schwarzhumorigen und Grotesken – der Mut abhanden gekommen zu sein. Falsch gemacht hat er zwar nichts. Aber manches hätte er dann doch ein wenig richtiger hinbekommen können: richtig böse, richtig schwarz, richtig irrwitzig.

Moritz Bleibtreu, der hier beinahe übergangslos vom „Jud Süß“-Goebbels-Kostüm in eine Konzentrationslager-Uniform schlüpft, macht seine Sache wie immer gut. Auch Georg Friedrich, Udo Samel und den anderen sieht man gerne zu. Aber mehr als ein grundsolider Eindreiviertelstünder kommt dennoch nicht herum. Ein Aufreger sieht anders aus.

Immerhin: „Mein bester Feind“ folgt einer Reihe von Filmen, die zuletzt den Spieß umgedreht haben – von den Juden als Opfer, zur jüdischen Selbst-Ermächtigung. In Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ (2009) nehmen die Opfer die Racheknüppel selbst in die Hand. In „Mein Kampf“ (2010), nach George Tabori, sind die Wiener Juden dafür verantwortlich, das aus Hitler das wird, was später auch wirklich aus ihm geworden ist: Sie sind gewissermaßen die Schöpfer des Herrenmenschen. Und Murnbergers Film erlaubt nun einem Schlehmil, sich selbst mit viel Chuzpe aus dem Schlamassel zu befreien: durch passing, im falschen Gewand. Am Ende zwinkert Victor in die Kamera und zeigt ein verschmitztes Sieger-Lächeln. Der victorious basterd ist noch einmal davongekommen.

Heute 12 Uhr (Friedrichstadtpalast), 22.30 Uhr (Urania), 20. 2., 10 Uhr (Friedrichstadtpalast)

Julian Hanich

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