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Kultur: Vier Jahrzehnte Zwischenstopp Otu Tetteh hat einen Film über die Rückkehr seines Vaters nach Ghana gedreht

Manchmal wird aus einem Zwischenstopp ein ganzes Leben. Der 25-jährige Benjamin Tetteh landet 1966 in Berlin-Tegel.

Manchmal wird aus einem Zwischenstopp ein ganzes Leben. Der 25-jährige Benjamin Tetteh landet 1966 in Berlin-Tegel. Er kommt aus Beirut und will weiter nach Liberia, sein Heimatland. Aber er hört, dass man in Berlin ein seltsames Fach studieren kann. Es soll eine Kombination aus Mathematik und Zeichnen sein, sie nennen es Architektur. Tetteh ist fasziniert, lässt die Maschine nach Monrovia sausen und schreibt sich an der TU ein. All das geht ganz schnell. Er verliebt sich in eine Kommilitonin, heiratet, beendet sein Studium, bekommt zwei Söhne.

Und fühlt sich doch nie zu Hause in Deutschland, jedes Jahr plant er die Rückkehr nach Liberia. Tettehs Frau Gisela ist einverstanden, Afrika ist der Kontinent ihrer Träume. Aber jedes Jahr kommt etwas dazwischen, die Kinder, die Doktorarbeit, Kriege. „Und oft sind es nur Ausreden, die so überzeugend sind, dass mein Vater sie selbst glaubt“, sagt Otu Tetteh. Der 32-jährige Schauspieler und Filmemacher ist der jüngere Sohn des deutsch-liberianischen Ehepaars.

Vergangenes Jahr erträgt er die Depression seines Vaters nicht mehr: Er überredet ihn, mit nach Ghana zu fliegen, wo ein Großteil der Tettehs wohnt. Er stürzt sich in Unkosten, ersteigert eine Digitalkamera bei Ebay und filmt „das Abenteuer“, wie er die Reise nennt. Benjamin Tetteh sieht seine Familie nach fast vier Jahrzehnten wieder. Für Otu ist es das erste Zusammentreffen mit der afrikanischen Verwandtschaft. Seinen Dokumentarfilm nennt Tetteh „Papa Afrika – On the Road to the Roots“. Er läuft beim 20. „Black International Cinema“, dem schwarzen Filmfestival in Berlin.

Otu Tetteh wohnt und arbeitet in einer dunklen Hochparterrewohnung in Charlottenburg. Im Flur hängt eine bunte Collage aus Eintrittskarten zu fast allen Berliner Reggae-Konzerten der letzten 15 Jahre. Neben dem Schnittcomputer liegt das Buch „Schwarze Teufel, edle Mohren – Afrikaner in Bewusstsein und Geschichte der Deutschen“. Seit seinem achten Lebensjahr ist Tetteh Schauspieler. Seine erste Rolle hatte er in dem Kinderfilm „Konrad aus der Konservendose“. Später hat er auch mit „Otto“ gedreht. „Sonst war ich entweder der Alibi-Neger oder wurde als ausländischer Drogenhändler besetzt. So sieht man schwarze Männer in Deutschland.“ Tetteh ist schlank, fast zierlich. Er trägt eine schwarze Kunststoffbrille, seine feinen Gesichtszüge überzieht immer wieder ein gewinnendes Lachen.

Als Filmemacher ist der Mann Autodidakt. Dennoch schaffte er es mit seinem ersten Kurzfilm „dess or alaif“ ins Panorama der Berlinale 2003. In dem 15-Minüter zeigt er mit Beats und schnellen Schnitten, wie ein Ausländer einer Bande Nazis entkommt. Ob seine Hautfarbe ihn auf Themen festlegt? „Ich kann am besten von dem erzählen, was ich erlebt habe“, sagt Tetteh. „Ich bin Berliner. Aber das sieht leider nicht jeder so. Dafür kann ich auch nichts. Afrika kannte ich nur aus den Erzählungen meines Vaters.“

Tetteh ist noch im Nachhinein die Faszination für den väterlichen Kontinent anzumerken. „Das bunte Gewusel, die Musik, die Freundlichkeit, die dich schon am Flughafen empfangen. Es ist, als ob du auf einem anderen Planeten landest.“ Leider verlässt auch Tettehs Film nicht das Stadium des Staunens. Es ist ein besserer, ein poetischer Urlaubsfilm geworden. Man sitzt auf der Terrasse oder im Fußballstadion (Ghana – Somalia 5:0). Tetteh hat zwar ein großes Gefühl für Rhythmus. Doch er hat es versäumt, einen Spannungsbogen aufzubauen. Sein Film formuliert keine Frage, auf deren Beantwortung er zuläuft. Am fesselndsten sind noch die Momente, in denen Tetteh erzählt, wie es ihm als schwarzem Berliner in Afrika geht. „Im Norden zu dunkel, im Süden zu hell“, fasst er die Erfahrung zusammen. „Manchmal sind Kinder in Ghana vor mir weggerannt, weil ich in ihren Augen sehr hellhäutig bin.“

Doch über seinen Vater, den eigentlichen Protagonisten des Films, erfährt der Zuschauer nur wenig. Benjamin Tetteh ist ein verschlossener, ängstlicher Mann. Warum ist er nicht früher schon nach Afrika zurückgekehrt? Freut er sich wieder auf Berlin? Leider konfrontiert der Sohn den Vater nicht mit derlei Fragen. „Ich wollte meinem Vater nicht die Hosen runterziehen. Er musste sich ja erst wieder an Afrika gewöhnen. Fast vier Jahrzehnte Deutschland haben ihn mehr verändert, als er dachte.“

Black International Filmfestival: 5. bis 8. Mai in der Kurbel, Giesebrechtstraße 4 in Charlottenburg. „Papa Afrika“ läuft am 5. Mai um 22.30 Uhr.

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