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Kultur: Vier Slam-Poeten und die Tücken der Liebe - Dichten über Gazellen und zerspringende Spiegel

Ja, adriatisch der April, schönes Medienthema, echtes / Rekordwetter, finde ich so geil, das, und baden in der Ostsee / im April, ohne groß zu frieren, geiler CO2-Anstieg / Krasse Stürme zwar, weggeknickte Wälder, aussterbende / Tierart zwar, zwar Flut, Sintflutregen wo, Schutzwall im Osten / westliches OderuferDieses mal hielt der Damm die Nation / beisammen. Immerhin: Ich kenne keine Parteien mehr / Sandsäcke zwar, schwere Räumtechnik im Einsatz zar / Bundesglatzen.

Ja, adriatisch der April, schönes Medienthema, echtes / Rekordwetter, finde ich so geil, das, und baden in der Ostsee / im April, ohne groß zu frieren, geiler CO2-Anstieg / Krasse Stürme zwar, weggeknickte Wälder, aussterbende / Tierart zwar, zwar Flut, Sintflutregen wo, Schutzwall im Osten / westliches Oderufer

Dieses mal hielt der Damm die Nation / beisammen. Immerhin: Ich kenne keine Parteien mehr / Sandsäcke zwar, schwere Räumtechnik im Einsatz zar / Bundesglatzen. Aber: Alle Argumente sprechen dafür / Holland in Not - Prognose / Arkadische Wetter / CO2-Anstieg, geil, die Prenzlauer, die Kreuzbergnächte / Berlinein Klima wie Verona, und spitze heADNiße Frauenanmut / Aussterbende Tierart zwar, noch anzuschaun. Nähertretend / Noch zum in die Knie brechen. Noch CO2 / ausatmend zwar

Schöner Hauch, schöner Sommer, Wind / Schön leise, verständige Gespräche / Noch, ich will kein Kind, so sagt sie / Noch Gazelle, sonnenhungrig, sonnensatt, no future / sonnenblondes Stoppelhaar / bis in die Ohrmuschel gebräunte - Faktor 20 - Haut / D Zug Trelleborg und die Bäder Gefühle - im April / Und Du, stell Deine Flaschenpost ins Internet / Ich bin dabeigewesen. Du kannst sagen: Knud Wollenberger

zusammengeballt

in einen raum

der abgeschloßen den einsamen kampf zeigt

offene Wunden

verzerrungen des nackten fleisches

nichts gibt es zu verstecken

schonungslos der öffentlichkeit zur schau

das fleisch hat seine überragende bedeutung

explosion von unterschiedlichsten rottönen

wucht die auseinanderspreizt bis zur qual

der raum zitterter schwitzt

die schwülstigkeit von schweren massiven vorhängen

zähnefletschendes weiß kämpft gegen rot

blutspritzer wandern über die gestänge

künstliches licht malträtiert das nervensystem

schreie nach erlösung

aufbäumen der letzten kräfte

unkontrolliertes zucken

ein klumpen masse

isoliert

verlassen

der hintergrund in tiefes schwarz getaucht

armbinden verkünden schwindende Sehkraft Rainer Anton Niedermeier

Dein neues Leben heißt Vera, Dein altes Leben heißt Gabi. Du stehst vorm Spiegel und freust Dich auf Dein neues Leben. Du machst in der Wohnung die Lichter aus. Wie ein Hausmeister gehst Du durch die Räume, auf dem Weg zum Flur klopfst Du Deine Hosentasche ab, links, rechts, Jackentaschen, links, rechts, Du bleibst stehen, greifst Dir mit der rechten Hand auf Dein Herz, auf Deine Jackeninnentasche, nichts. Du hast Deine Wohnungsschlüssel vergessen.

Du machst die Lichter wieder an und suchst: Badezimmer, Schreibtischplatte, Flurkommode, Küchentisch, Fensterbänke, nichts, Pause, Konzentrationsphase, Griff zum Taschenkalender, Du rekonstruierst Deine letzte 24 Stunden, 48 Stunden, 72 Stunden. Du hast Eure Wohnung seit drei Tagen nicht mehr verlassen, Du knallst den Kalender auf den Tisch, ruhig bleiben, Eure Wohnung hat 68 Quadratmeter, wenn Du jeden Quadratmeter einzeln absuchst, wirst Du die Schlüssel finden. Du stöberst durch die Planquadrate, kippst Schubladen aus, stocherst mit der Schuhspitze durch Klamotten, Fotos, Briefe, nichts, Du sinkst auf einen Stuhl, schaust auf die Mikrowellenuhr, halb elf, wahrscheinlich winkt sich Dein neues Leben gerade ein Taxi.

Dein neues Leben wird in der Bar sitzen und warten.

Dein neues Leben wird von Minute zu Minute älter werden. Wut macht sich in Dir breit. Wut auf Deine Vergesslichkeit. Wut auf Eure Wohnung. Wut auf die Kleinkramflut. Wut auf diese blauweiße Küche, Schauplatz der letzten drei Streitnächte, Gabigespräche, Gespräche wie Endloskassetten, Sumpfdebatten, Teufelskreise.Eure Wohnung rückt die Schlüssel nicht raus. Eure Wohnung will Dich einsperren. Eure Wohnung ist eine eifersüchtige Fotze.

Elf Uhr, Du schnappst Dir einen Bettbezug und beginnst mit der Plünderung. Du trampelst durch Eure Wohnung und sackst das Notwendigste ein: Lieblings-CDs, Laptop, Bücher, Klamotten, Kulturbeutel, aus der Hi-Fi-Säule rupfst Du die Filetstücke, DAT-Recorder und Mini-Mischpult, der Bettbezug ächzt, Du vergleichst seine Größe mit der Größe der Bahnhofsschließfächer, wenn Du ein großes Schließfach nimmst, hast Du noch Platz, Briefe, ein Poster, aus Gabis Zimmer holst Du Deinen Wecker und schulterst Deine Beute. Wie ein Nikolaus stiefelst Du durch den Flur und greifst nach der Türklinke. Eure Wohnung gibt auf. Eure Wohnung winselt. Präsentiert den Schlüsselbund, der von innnen in der Tür steckt. Du ziehst die Schlüssel ab, wiegst sie in der Hand, wirfst sie rückwärts über Deine Schulter in die dunkle Wohnung. Es klirrt. Spiegel, Bilderrahmen oder Glasschrank, Du schaust nicht mehr nach, die Tür fällt hinter Dir ins Schloss.

Du bist wirklich ein toller Typ. Till Müller-Klug

Sie: Magst du mich?

Er: Ja, ich mag dich.

Sie: Bist du gern bei mir?

Er: Ja, ich bin gerne bei bei dir.

Sie: Schaust du mich gern an?

Er: Ja, ich schaue dich gern an.

Sie: Findest du mich hübsch?

Er: Ja, ich finde dich hübsch.

Sie: Gefallen dir meine Augenbrauen?

Er: Ja, deine Augenbrauen gefallen mir.

Sie: Sehr?

Er: Ja, sehr.

Sie: Ehrlich?

Er: Ehrlich.

Sie: Fast du mich gerne an?

Er: Ja, ich fasse dich gerne an.

Sie: Findest du mich komisch?

Er: Aber nur auf eine sehr nette Art.

Sie: Liebst Du mich wirklich?

Er: Ja, ich liebe dich.

Sie: Sag, ich liebe dich!

Er: Ich liebe dich

Sie: Schwörst du, dass du mich nie verlässt?

Er: Ich schwöre, dass ich dich nie verlasse, nie und nimmer

bei allem, was mir heilig ist. Wenn ich lüge, will ich totumfallen

Sie: Liebst du mich wirklich... Wolfgang Hogelkamp"Sexpoetry", im Maria am Ostbahnhof am 25.5. um 22 Uhr. Es werden außerdem Tanja Dückers, Bastian Böttcher, Eberhard Häfner u.a. lesen. Der Text von Till Müller-Klug ist in gekürzter Fassung der Buch-CD "Die sprechende Droge" entnommen (vgm. bern 2000).

Bruno Preisendörfer

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