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Die Versuchung. Spitzenlos der Auktion ist das Gemälde „Paradieslandschaft mit dem Sündenfall“ (um 1634) von Jan Brueghel d. J. und Frans Wouters.

© Grisebach / Karen Bartsch

Villa Grisebach-Versteigerung der Rohde-Sammlung: Auktion verloren geglaubte Werke

Von der Fachwelt als verschollen geglaubte Werke sind in dem Erbe des großen Berliner Kunsthändlers Kurt Rohde wiederentdeckt worden. Nun wird seine Sammlung von der Villa Grisebach versteigert.

Mitten im Ersten Weltkrieg kaufte Kurt Rohde zwischen aufreibenden Gefechten in Flandern, in Brügge und Oostende Kunst. Gleichzeitig kam der Major in Kontakt mit einem Markt, in dem er sich wenig später als gefragter Händler souverän bewegen sollte. Anfangs hatte er nur Juwelen erstanden. Dann weitete sich sein Blick, schloss historische Möbel und Porzellane mit ein, schließlich kamen wertvolle Teppiche und Gemälde hinzu. Als Rohde sich nach dem Krieg vom Militärdienst verabschiedete, machte er seine Leidenschaft für die Kunst zum Geschäft. Nun wird seine inzwischen fast vergessene legendäre Sammlung, die er und seine Geschäftspartnerin Frieda Hinze in den goldenen Zwanzigerjahren aufbauten, in der Villa Grisebach versteigert.

Die gute Nachbarschaft

Nach 1918 zieht Kurt Rohde mit seiner wohlhabenden Frau und der kleinen Tochter Elisabeth nach Berlin in die Uhlandstraße 31, die schnell zu einer angesehenen Adresse im Kunsthandel der Weimarer Republik avanciert. Das Lagerbuch verzeichnet bald illustre Namen wie El Greco, van Goyen, Bassano, Sorgh und Rubens, mit sorgsam ausgeführter Provenienz. Nur drei Querstraßen weiter wohnt Wilhelm von Bode, seit 1905 Generaldirektor der Berliner Museen. Als Kenner und Berater vieler Kunstsammler prägt er entscheidend den Geschmack und das Sammelverhalten seiner Zeitgenossen. Auch Kurt Rohde lässt sich von ihm beraten und unzählige Expertisen schreiben. Darüber hinaus verdankt er ihm die Bekanntschaft mit der jungen Frieda Hinze, einer Schülerin Bodes, die dieser unermüdlich fördert. Als einzige, so geht die Legende, durfte sie den greisen „Museums-Condottiere“ bei seiner Mittagruhe stören.

Der Vermeer erweist sich erst später als Fälschung

Frieda Hinze wird Rohdes Geschäftspartnerin, baut seine Sammlung mit auf und befreundet sich mit der Familie. Als sich in Berlin ab 1920 ein florierender Kunsthandel entwickelt, mit dem Tiergarten als schillerndem Zentrum, schärft Rohde das Profil seiner Sammlung. Dekorative Werke des 19. Jahrhunderts werden ersetzt durch holländische Genremalerei. Die begehrten alten Meister für seine Gemäldesammlung erwirbt er auf Auktionen und in den großen Berliner Galerien. 1926 entdeckt Rohde das Bildnis eines lächelnden Mädchens, ein vermeintlicher Vermeer (der 1970 allerdings als Fälschung entlarvt wurde) und steht mit dieser Sensation plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Mit viel Geschick verkauft Frieda Hinze das Gemälde in Holland zu einem Spitzenpreis, dank dessen sich neue Möglichkeiten für Ankäufe eröffnen. Ausgedehnte Kontakte in die Niederlande und bis nach Amerika machen die Rohde-Sammlung international bekannt und lassen das Geschäft florieren.

Im Krieg verbrennen einige Werke, andere werden unter Trümmern begraben

Die Versuchung. Spitzenlos der Auktion ist das Gemälde „Paradieslandschaft mit dem Sündenfall“ (um 1634) von Jan Brueghel d. J. und Frans Wouters.
Die Versuchung. Spitzenlos der Auktion ist das Gemälde „Paradieslandschaft mit dem Sündenfall“ (um 1634) von Jan Brueghel d. J. und Frans Wouters.

© Grisebach / Karen Bartsch

Mit der Machtergreifung der Faschisten siecht der Kunsthandel dahin

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten stagniert der lukrative Handel. Etliche Kunsthändler und Sammler sind zur Emigration gezwungen, die Preise und Auslandsverkäufe Rohdes sinken. Mit der Schließung der Museen zu Kriegsbeginn verliert er weitere wichtige Kunden. Wenig später steht die Sicherung der Kunstschätze im Vordergrund: Die Sammlung mit sakralen Szenerien von Mirabello Cavalori, Albert Cornelis oder Giovanni Battista Rossi, Landschaftsgemälden eines Jan Frans van Bloemenwird und Genredarstellungen etwa von Jan Miense Molenaer wird auf 24 Orte in Berlin und im Umland ausgelagert. Etliches geht dabei verloren, manches verbrennt oder wird unter Trümmern begraben. Nach Kriegsende versammelt Rohde die Reste wieder in der Uhlandstraße. Als er 1950 stirbt, vererbt er den Waren- und Sammlungsbestand an Frau und Tochter. Während Elisabeth Rohde als studierte Archäologin am Pergamonmuseum arbeitet und selbst nach dem Mauerbau mit einem Sondervisum in den Ostteil der Stadt auf die Museumsinsel pendelt, führt Frieda Hinze die Geschäfte erfolgreich weiter. 1971 folgt der Umzug in die Bundesallee. Hier lagern in den hinteren Räumen des Hauses, zum Teil niemals wieder ausgepackt, die Kunstschätze der Sammlung Rohde. 1991 stirbt Frieda Hinze, 2013 mit 98 Jahren die Tochter.

Werke mit einem Schätzwerk von 3,5 Millionen Euro stehen zum Verkauf

Als die Erben sich an die Villa Grisebach wandten und Stefan Körner, Experte der Orangerie-Abteilung für besondere Versteigerungen, die Wohnung betrat, wurden Schätze gehoben. Eingewickelt in eine Börsenzeitung von 1926 fand er die „Paradieslandschaft mit dem Sündenfall“, um 1634 von Jan Breughel d. J. und Frans Wouters gemalt und mit einem Schätzwert von 300 000 bis 500 000 Euro das Spitzenlos der kommenden Versteigerung. 400 ausgewählte Objekte stehen zum Verkauf, knapp hundert Gemälde alter Meister sowie etwa 300 Objekte der angewandten Kunst; darunter historische Möbelstücke, seltene Porzellane und wertvolle Asiatika.

Von den Gemälden galten viele als verschollen und waren der Kunstwelt nur durch Abbildungen bekannt wie der „Sinnierende Jüngling“ (1581) von Lavinia Fontana de Zappis, einer der wenigen Künstlerinnen jener Zeit. Weitere Hauptlose sind drei Tafeln des Cyriacus-Altars aus St. Kunibert in Köln von Bartholomäus Bruyn d. Ä. aus dem 16. Jahrhundert (150 000–250 000 €), ein Landschaftsbild von Jan Breughel d. J. aus dem 17. Jahrhundert (200 000–300 000 €) und ein Seestück von Salomon van Ruysdael von 1647 für 200 000 bis 300 000 Euro. Insgesamt 3,5 Millionen Euro erhofft sich die Villa Grisebach nach mittlerer Schätzung aus der Versteigerung.

Anders als im Fall Gurlitt birgt die verschollen geglaubte Sammlung keine Raubkunst

Bei einer Sammlung, die als verschollen galt und plötzlich wieder auftaucht, denkt man unwillkürlich an den Fall Gurlitt und zweifelhafte Herkunft, womöglich Raubkunst. Solche Bedenken sind jedoch laut Körner nahezu ausgeräumt, da 95 Prozent der Provenienzen dank des exzellenten Archivs von Kurt Rohde – das nach der Auktion für Forschungszwecke in das Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin wandert - lückenlos nachgewiesen werden konnten und ohnehin ein Großteil der Objekte vor 1931 erworben wurde. „Wir freuen uns darauf, die Glanzstücke dieser lang verschollen geglaubten und legendären Kunstsammlung aus den Goldenen Zwanzigern noch einmal auszustellen, bevor sie den Besitzer wechseln“, stellt Körner mit Blick auf die Auktionen am ersten Wochenende im Juli fest: „Überraschungen im Ergebnis zeigen sich erst, wenn der Hammer fällt. Interessenten aus dem In- und Ausland gibt es jedenfalls viele.“

Villa Grisebach, Fasanenstr. 25, Vorbesichtigung aller Werke vom 27.6.–2.7., Sa–Mi 10–18 Uhr, Do 10–17 Uhr; Verststeigerungen Sammlung Rohde-Hinze: Alte Meister, 3.7., 17 Uhr, Dekorative Künste: 4.7., 11 (Teil I) & 14 Uhr (Teil II)

Angela Hohmann

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