zum Hauptinhalt

Kultur: Villen und Wege

Kaum zeichnet sich ein Ende der Odyssee der aus dem Martin-Gropius-Bau ausquartierten Berlinischen Galerie ab, bahnt sich in der Region ein weiteres Hin und Her um eine museale Einrichtung an.Nun droht dem Frankfurter Museum Junge Kunst der Rausschmiß.

Kaum zeichnet sich ein Ende der Odyssee der aus dem Martin-Gropius-Bau ausquartierten Berlinischen Galerie ab, bahnt sich in der Region ein weiteres Hin und Her um eine museale Einrichtung an.Nun droht dem Frankfurter Museum Junge Kunst der Rausschmiß.Zwar ist die Benutzung des schönen Gewölbesaals im historischen Rathaus nicht gefährdet, wohl aber das Verbleiben des Museums da, wo es seinen eigentlichen Sitz hat: in der Trowitzsch-Villa.

Bei dem Museum handelt es sich um eine erst 1965 gegründete Institution, deren Tätigkeit anfangs stark von doktrinären Vorgaben bestimmt war, die sich dann aber einen guten Ruf erarbeitet hat.Wie berechtigt dieser ist, zeigt sich anhand der gerade jetzt stattfindenden Rathaus-Ausstellung "Die Kraft der Farbe".Kaum je ist die neben der Auftrags- und Staatskunst entstandene, nur sich selbst verpflichtete Malerei ostdeutscher Künstler so frisch, so fern von jedem provinziellem Mief dargestellt worden.Mit Ausstellungen wie dieser vermittelt das Museum einer Stadt Anstöße und Erlebnisse, die solche dringend nötig hat.

Einst gefeiert als "eine der elegantesten Mittelstädte Deutschlands" - so "Meyers Konversations-Lexikon" vor langer, langer Zeit -, ist die Stadt später schwer malträtiert worden.Zwar war sie heil durch den Bombenkrieg gekommen, aber dann hat der Beschuß der "Festung Frankfurt" und haben mehr noch Brandschatzungen die Frankfurter Altstadt so ziemlich ausgelöscht.Die Kahlschlagsanierung zur aufmarschgerechten Stadt mit einer Stadtkrone aus Plattenhochhäusern tat ein übriges.Um so gespannter wird man die ersten Versuche einer Stadtreparatur beobachten und sich besonders an das Überkommene halten, so etwa an die Trowitzsch-Villa, um die jetzt der Streit geht.In Frankfurt wird sie auch Villa Hahn genannt - nach der letzten Bewohnerin des Hauses, einer geborenen Trowitzsch.

Eugen Trowitzsch, der Erbauer der hochherrschaftlichen Anlage, war Besitzer der "Königlichen Hofbuchdruckerei Trowitzsch & Sohn" und somit ein Bewahrer der großen Frankfurter Tradition in diesem Gewerbe.Nebenher war Trowitzsch Sammler von Kopien alter Meister, die er im Gebäude der von ihm herausgegebenen "Oder-Zeitung" in der Oderstraße öffentlich machte.So mit Kultur verbunden, ließ er nichts aus, was die Gründerzeit an Bauformen bis hin zur Deckenmalerei anzubieten hatte, als er 1887 von den Berliner Architekten Mahrenholz & Thronicker sein Wohnhaus aufführen ließ.Gemäß der damals bei Fabrikanten üblichen Sitte des nahen Beieinanders von Wohnen und Produzieren bekamen hinter der imposanten Villa das Redaktionsgebäude (jetzt Depot des Museums) und das Druckhaus ihren Ort.Nach vorn öffnete sich der Wilhelmsplatz, an dem schon das von Schinkel entworfene Stadttheater stand und auf dem dann zur Jahrhundertwende ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal aufgestellt wurde.Repräsentativer konnte man in Frankfurt zu jener Zeit nicht wohnen.

Nun gibt es keinen Wilhelmsplatz und kein Schinkel-Theater mehr, und fast das ganze alte Umfeld ist verschwunden, aber die Trowitzsch-Villa ist kraft eigener Ausstrahlung noch immer eine vorzügliche Adresse.Mit Erleichterung vernahm man daher vor einem Jahr, daß ein privater Restitutionsantrag auf das in öffentlicher Kulturnutzung befindliche Gebäude in zweiter und wegen des Ausbleibens eines weiteren Einspruchs auch letzter Instanz abgewiesen worden war.Auf diese gute Nachtricht folgte aber bald die schlechte: Die Stadt beabsichtige, die eben erst erstrittene wertvolle Immobilie zu verkaufen.Man wollte das kaum glauben, allein der moralischen Fragen wegen.Aber es stimmte, und der Protest der Künstlerschaft der Region, die das Museum längst als ihre ureigene Galerie angenommen hatte, war begründet.Tatsächlich hat die Stadtverwaltung inzwischen drei Varianten durchgespielt, von denen zwei den Verkauf der Villa vorsehen, und von diesen beiden wird eine Option für die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung im Herbst favorisiert.

Wie kommt eine Stadt auf so zweifelhafte Gedanken? Aus Geldnot oder Blindheit? Die bauliche Sanierung der Anlage würde, wie es in vager Schätzung heißt, ein bis drei Millionen Mark erfordern.Diese Summe will man sparen und obendrein eineinhalb Millionen als Verkaufserlös kassieren.Mit dem Geld will man den Innenausbau des sogenannten Junkerhauses betreiben.In diesem zur Zeit selber noch maroden Bau, in dem einst die adligen Studenten der Viadrina logierten und in dem jetzt einige Räume dem Heimatmuseum dienen, soll auch das Museum Junge Kunst untergebracht werden, was allerdings ein seltsames Gespann ergäbe.Und gesetzt den Fall, daß es so käme, was sollte denn zwischendurch mit den Sachen aus der Trowitzsch-Villa geschehen? Fragen über Fragen ergeben sich, eine der wichtigsten: Das Junkerhaus reicht nicht einmal für die Bestände des Heimatmuseums, weshalb die Raumzuteilung für das Museum Junge Kunst knapp ausfallen würde; man kalkuliert bereits eine Reduzierung der Aktionsflächen des Museums um 50 Prozent ein.Das wäre nun wirklich Kulturabbau und ginge an die Substanz des Museums.

Dabei ist nicht einmal sicher, ob der erwartete Spareffekt erreicht wird.Da das Junkerhaus auch nach Fertigstellung auf keinen Fall irgendwelche Depoträume hergibt, müßte ein weiteres Objekt angemietet werden.Wären zudem nicht alle bisherigen Investitionen in die Trowitzsch-Villa à fonds perdue getätigt? Würde es nicht mehr Sinn machen, die Reparaturen an diesem Gebäude zu strecken, anstatt den Bau aufzugeben? Dem Vernehmen nach gibt es ein Angebot, die Elektrik des Hauses ehrenamtlich zu erneuern! Müßten nicht weitere Sponsoren anzusprechen sein?

Die finanziellen Probleme der Stadt sollen nicht kleingeredet werden.Aber auch Kultur kann, das zeigt die Wiederbelebung der Viadrina als Europa-Universität, ein Wachstumsfaktor sein.Was das Museum Junge Kunst anbetrifft, ist anzuerkennen, welche Arbeit es trotz einer Personalreduzierung von 43 (1990) auf nunmehr neun Planstellen noch immer - nicht zuletzt im Hinblick auf die deutsch-polnische Nachbarschaft - leistet.

An diesem Punkte stellt sich eine grundsätzliche Frage.Wieso müssen Grenzgemeinden in einem solchen Umfang die Kosten für eine Kulturarbeit tragen, die auch im Interesse der ganzen Bundesrepublik liegt.Was in Polen an deutscher Kulturarbeit geschieht, interessiert das Auswärtige Amt, was auf deutschem Boden an Initiativen dorthin gerichtet ist, in der Regel kaum.Somit ist die Oder nicht nur ein Grenzfluß, sondern auch eine Kompetenzscheide zwischen zwei Bundesministerien, die sich aber beide nicht um die Tätigkeit einer derart mit dem Osten kooperierenden Institution wie das Museum Junge Kunst kümmern.Wäre es nicht an der Zeit, die Kulturarbeit des Bundes tatsächlich mehr zu koordinieren, im Kanzleramt oder sonstwo? Und das Land Brandenburg? Dessen Zuschüsse sind gering, schließlich ist das Museum kein Landesmuseum; das sitzt in Cottbus.So wird das Museum, eigentlich ein Aktivposten, zur Bürde der Stadt.Doch sollte Frankfurt, dieses Tor zum europäischen Osten, mit seinen Problemen nicht allein gelassen werden.

GÜNTER FEIST

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false