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Vittorio Grigolo in der Philharmonie: O solo mio!

Bei seiner ersten eigenen Show in der Hauptstadt gibt der Star-Tenor dem Affen Zucker wie weiland nur die drei Tenöre. Die rasende Menge erzwingt ein da capo von "O sole mio".

Am Anfang macht er es wirklich spannend: Erst der ungewöhnliche Konzertbeginn um 20.30 Uhr – und dann als Eröffnungsstück auch noch Verdis wohl längste Ouvertüre. Während also die Neue Philharmonie Westfalen aus Recklinghausen mit knallenden Blechbläsern „Die Macht des Schicksals“ beschwört, rätselt der geneigte Zuhörer, wie Vittorio Grigolo wohl seine erste eigene Show in der Hauptstadt gestalten wird. Beim Berlin-Debüt in der alten „Traviata“ an der Deutschen Oper hat der neue italienische Tenorstar im Januar durch brennende Bühnenpräsenz für sich eingenommen, auf seiner ersten Arien-CD dagegen profiliert er sich mit feinsinniger Phrasierungskunst und makelloser Klanggestaltung vor allem als klassischer tenore di grazia.

Dass in der gut besuchten Philharmonie niemand hinter dem Podium sitzen mag, erzählt allerdings von einer weiteren Erwartungshaltung der Zuschauer an diesem vom Entertainmentkonzert Deag veranstalteten Abend: Bei Vittorio Grigolo hört das Auge mit. Und tatsächlich erscheint der 33-jährige Toskaner im hochmodischen, körperbetonten Smoking, bello e incredibile, ein Orlando Bloom des Musiktheaters.

Dirigent Pier Giorgio Morandi hebt die Arme für Verdis Frühwerk „Il Corsaro“ – und noch bevor Grigolo den Mund zum ersten Mal öffnet, liegt er schon im intensiven Flirt mit dem Publikum. Rechts, links, billige und teure Plätze, jedem im Saal möchte dieser Sänger die Töne zuwerfen wie Kusshände. Riesig entfaltet sich sein Organ in diesem Furor der Mitteilungsfreude, mühelos überstrahlt er das Orchester, attackiert absolut angstfrei selbst die heikelsten Spitzentöne.

Der Verdi-Rarität folgt ein Verdi-Knaller, „La donna è mobile“, strahlend, in jugendlichem Übermut. Grigolo, das wird hier erneut klar, ist ein genuiner Livekünstler, ein Händeringer und Armausstrecker der alten Schule, den es selbst im asketischen Scharoun-Bau stets zum Szenischen drängt. Wie er mit der Sopranistin Sonya Yoncheva in Donizettis „Liebestrank“ turtelt, bringt ihm erste Bravos ein, nach dem „Bohème“-Duett samt Hollywood-Filmkuss braucht so mancher einen Sekt zur Beruhigung.

Signor Grigolo aber startet jetzt erst richtig durch, mit Canzonen, Schnulzen, Operetten-Arietten, ganz wie weiland bei den drei Tenören in den Caracalla-Thermen (nur mit schlechteren Arrangements). Musikalische Dessertvariationen all’italiana, Tiramisu total. Er schmettert, was die Kehle hergibt, Sonya Yoncheva walzt mit einem Herrn aus der ersten Reihe. Dann, natürlich!, das „Traviata“- Brindisi und ein Duell der beiden um die am längsten gehaltenen Töne, als die rasende Menge ein da capo von „O sole mio“ erzwingt. Vittorio Grigolo – la vittoria del gigolo!

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