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Kultur: "Vive la Provence": Dieser Duft! - Ein Fim von Christian Philibert

Kürzlich war in den Zeitungen von einem gewissen José Bové zu lesen. Etwa ein Jahr ist es her, da hat dieser Bové die Baustelle einer französischen McDonalds-Filiale angegriffen, aus Protest gegen die "mondialisation" im allgemeinen und gegen die "malbouffe", das importierte fast-finger-food im Besonderen.

Kürzlich war in den Zeitungen von einem gewissen José Bové zu lesen. Etwa ein Jahr ist es her, da hat dieser Bové die Baustelle einer französischen McDonalds-Filiale angegriffen, aus Protest gegen die "mondialisation" im allgemeinen und gegen die "malbouffe", das importierte fast-finger-food im Besonderen. Und ein bisschen sicher auch aus eigenen Interesse. Bové ist Schafszüchter. Jetzt ist er ein Volksheld dazu.

So sind sie, die Gallier, stur und spontan, patriotisch und dabei voll wilder Sinnlichkeit. Nicht alle vielleicht, aber die aus dem Midi bestimmt. Bové kommt aus dem südfranzösischen Larzac. Und auch in Espigoule, einem Bilderbuch-Dörfchen in der Provence, hat sich - allerdings eher wortstark verschrobene - Unbotmäßigkeit verschanzt. Eine Bar gibt es in Espigoule, eine Gemeindehalle, einen Dorfplatz und die Dorfstrasse mit steinernen Häuschen. Duftende Büsche und Hügel mit viel Geflügel und Getier. Die Espigoulesen, jedenfalls die meisten der männlichen Exemplare, sind vor allem Jäger. Dann haben sie auch noch bürgerliche Berufe. Da gibt es den Bürgermeister, den Patron, den schwadronierenden Dichter und einen Imker, der wie ein Troubadour aussieht, magischen Honig herstellt und gerne den Dorffreak gibt. An Weiblichkeit wenig, jedenfalls im Film, bis auf eine Matrone in Kittelschürze, die beim Wettkampf um den besten Hasenpfeffer dabei ist.

Christian Philibert (nicht zu verwechseln mit dem Dokumentaristen Nicolas Philibert) ist nicht weit von Espigoule geboren. Jetzt ist er Filmemacher. Zehn Jahre lang hat er - dreitageweise - in Espigoule gefilmt, auf ein fiktives Jahr verdichtet er sein Material für diesen Film. Einmal durch alle Jahreszeiten, einmal auch Fussball-Pokal und Wahl. Und - leider - auch einmal ausgiebig alle Dorffeste durchgestanden. Auf den Hasenpfeffer-Concours folgt das Ziegenbockrennen, dann Weihnachten und Silvester, eine Hochzeit als Draufgabe zum Schluss.

"Vive la Provence" ist, sagen wir, ein Spielfilm aus dokumentarischen Elementen. "Nicht alles ist wirklich wahr, aber nichts ist wirklich unwahr", nennt das der Regisseur. Manches also ist inszeniert, wahrscheinlich die schöne Wildschwein-Autofahrer-Erschreck-Szene zu Anfang. Manches war einfach so da. Die Schafe etwa. Oder die Feste. Und eben die Typen. Philibert liebt seine Charaktere, so wie man es von einem Porträtisten erwartet. Vielleicht auch ein bisschen zu sehr. So stark verlässt sich der Regisseur auf die Attraktivität seiner Protagonisten, dass er dabei den Rest des Dorfes aus dem Auge verliert.

Nun soll "Vive La Provence" - der Titel deutet es an - nicht realistisch sein: Das Film-Espigoule ist eine Projektion, eine Fantasie, aus Philiberts Kindheitserinnerungen geboren. Das ist gut und schön und auch erlaubt, wenn es denn gelingt, den Zuschauer mit den eigenen Erinnerungen anzustecken. (So mögen auch für uns einen Tag lang "die Bäume anders vibrieren", wie es einer der Helden lokalpatriotisch beschwipst nennt.)

Wenn. Die Kritkerin jedenfalls war erst angetan und dann gelangweilt und später nur noch genervt von der überbordenden gallischen Hysterie. Sie hätte auch gerne über das Dorfleben mehr als nur Nettigkeiten erfahren. Jetzt mögen Sie ihr vorwerfen, sie wolle das Schöne nur einmal wieder nicht sehen. Schließlich hat nicht nur der "Figaro" diesen Film als den "menschlichsten, authentischsten und komischsten Film seit langem" gewürdigt, er hat auch Jury- und Publikumspreise in Menge eingeheimst. Vielleicht haben solche Unterschiede der Wahrnehmung damit zu tun, ob man Ziegenbockrennen und Kaninchenjäger mag. Und Dorffeste. Eine Geschmacksfrage also. Womit wir wieder am Anfang wären. Vive la France!

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