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Kultur: Volker Schlöndorff

Im Fernsehen haben wir Brandts Auf und Abstieg als düsteren Abgesang erlebt, erinnern tun wir’s auch lebhaft. Warum soll ich mir das nochmal im Theater antun?

Im Fernsehen haben wir Brandts Auf und Abstieg als düsteren Abgesang erlebt, erinnern tun wir’s auch lebhaft. Warum soll ich mir das nochmal im Theater antun? Weil es auch seine komischen Seiten hat. Wunderbar nüchtern auf den Punkt gebracht, in klarer Sprache, der man die Übersetzung aus dem Englischen nicht anmerkt, die auch keine wörtlichen Zitate enthält, erzählt Michael Frayn in Demokratie (im Berliner Renaissance-Theater) die Geschichte von Guillaume und Brandt als ironische Don Quichote/Sancho Pansa-Paarbeziehung. Noch dazu aus der Sicht des Sancho Pansa, eines ehrlosen Schurken, der ohne den leisesten Anflug eines schlechten Gewissens seinen geliebten Herrn ununterbrochen verrät. Als Zuschauer denkt man, wie müssen diese Deutschen, die kein Gefühl von Anstand oder sonstige Skrupel haben, auf das englische Publikum gewirkt haben? Sicher erschreckend komisch. Und man fragt sich, warum wohl niemand bei uns ein solches Drama theaterwürdig finden würde, erst recht nicht als Thema eines unterhaltsamen Abends. Die Erleuchtung: von den Engländern lernen. Uns nicht weinerlich von der eigenen Identitätslosigkeit abschrecken lassen, sondern uns drüber mokieren.

Der Film- und Theaterregisseur Volker Schlöndorff lebt in Potsdam.

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