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Kultur: Voll konkret

Wahrscheinlich gibt es kaum jemanden im deutschen Osten, der die Erfindungen von Karl-Heinz Adler nicht kennt. Allerdings werden nur wenige die seriellen Betonformen, die in der DDR vor allem an Gebäuden Verwendung fanden, mit seinem Namen in Verbindung bringen.

Wahrscheinlich gibt es kaum jemanden im deutschen Osten, der die Erfindungen von Karl-Heinz Adler nicht kennt. Allerdings werden nur wenige die seriellen Betonformen, die in der DDR vor allem an Gebäuden Verwendung fanden, mit seinem Namen in Verbindung bringen. Aus zwölf frei miteinander kombinierbaren Elementen entwickelte der Dresdner "Betonformsteine", die seit 1970 bei Mauerwerk, Pflanzschalen, Brunnen oder Deckengestaltungen zum Einsatz kamen. Damit hielt die "konkrete Kunst" flächendeckend Einzug in die Neubaugebiete der DDR. Nur durfte sie offiziell nicht als solche firmieren, stand die art concret doch unter "Formalismus"-Verdacht. Was Adler bis 1982 in der DDR nicht öffentlich ausstellen durfte, hatte als baubezogene Gestaltung keinerlei Mühe zum Massenartikel zu werden, obwohl seine Spielplatzgeräte oder Kinderbaukästen nichts anderes waren als die Realisierung von "geistigen Prinzipien der konkreten Kunst".

Auch seine Bilder entwickelte Adler aus wenigen geometrischen Figuren und Prinzipien. Etwa die in den siebziger Jahren entstandenen "Schichtungen". Adler hat hier zum Beispiel einfach vier Quadrate aus Transparentfolie aufeinandergelegt. Die oberste der vier Flächen endet mit seiner Spitze genau auf der Hälfte der ersten. Die dazwischen liegenden unterteilen den Abstand noch einmal jeweils zur Hälfte. Darüber und dazwischen liegen blaue Kreise, die durch die Brechung der Folie in der Tiefe immer heller werden: Das Prinzip ist denkbar einfach, der Effekt dagegen verblüffend. Gemäß dem Credo der auf Theo van Doesberg zurückgehenden Konkreten Kunst ist jede Komposition für den Betrachter völlig nachvollziehbar, da sie auf geometrischen Konstruktionen beruht.

Es mag mit diesem Ursprung zu tun haben, dass die frühen Arbeiten der sechziger und siebziger Jahre in der kleinen Retrospektive von knapp vierzig Arbeiten in der Galerie Barthel + Tetzner mit der Farbe sehr sparsam umgehen. Oft fehlt sie ganz, wie bei den "Seriellen Lineaturen", die jeweils von zwei Punkten auf einer quer durchs Bild laufenden Linie ausgehen. Je nach dem, wo die Punkte auf der Linie gesetzt werden, entsteht ein komplett anderer Eindruck. "Auch ein philosophisches Problem", meint Adler, "Mit dem Standpunkt ändert sich die Perspektive". Mit Interpretationen hält sich der frische 75-Jährige sonst zurück. Nur so viel: "Auch die Natur arbeitet nach einfachen Gesetzmäßigkeiten: Zellteilung, Molekülbildung, je nach Zusammensetzung entsteht daraus ein anderer Stoff." So abstrakt Adlers Schichtungen, Schattierungen und Lineaturen aussehen, "es sind Visualisierungen der natürlichen Erscheinungen".

Erst spät griff Adler die Farbe als eigenständiges Thema in seinen Arbeiten auf, angeregt durch seinen Vogtländischen Jugendfreund Gotthard Graubner. 1988 wurde er für sieben Jahre dessen Kollege an der Düsseldorfer Akademie. In Adlers seitdem entstanden Gemälden wird der Eigenwert der Farbe mit konkreten Prinzipien gekoppelt: Da kreuzen sich etwa zwei ineinander verwobene Farben streng in prozentualer Quantität zu- bzw. abnehmend, bis die reine Farbe aufscheint.

Auch Adlers Skulpturen gehorchen strengen Prinzipien. Die aufgefächerten Stelen aus Holz geben den Elementen hier Volumen und übersetzen es in den freien Raum - ebenso wie jene vom VEB Beton und Naturstein fabrizierten Formelemente. Gewiss sieht man nach dieser Ausstellung manche der Betonreliefs mit ganz anderen Augen (Preise von 250 bis 8700 Euro).

Ronald Berg

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