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Kultur: Vom Schocker zum Klingelton

wundert sich über die Beliebtheit des Frühlingsopfers Vor vier Jahren wollte das britische Klassik-Magazin „Gramophone“ von den wichtigsten Klassik-Schaffenden wissen, welches das bedeutendste Musikstück des 20. Jahrhunderts sei.

wundert sich über die Beliebtheit des Frühlingsopfers Vor vier Jahren wollte das britische Klassik-Magazin „Gramophone“ von den wichtigsten Klassik-Schaffenden wissen, welches das bedeutendste Musikstück des 20. Jahrhunderts sei. Das Ergebnis war eindeutig: Strawinskys 1913 uraufgeführtes „Sacre du printemps“ landete weit vor möglichen Konkurrenten wie Bergs „Wozzeck“, Ravels „Bolero“ oder Ligetis „Atmosphères“ auf Platz 1. Der Schocker von einst ist fast zum populären Gassenhauer geworden, selbst Jugendorchester werfen sich auf das früher als unspielbar geltende Stück. Vrmutlich gibt es bald Klingeltöne mit „Sacre“-Signalen. Mehr noch: Mit „Rhythm is it“, der Dokumentation über Simon Rattles „Sacre“Projekt mit Jugendlichen, hat das Stück gerade einen weiteren Popularitätsschub erfahren.

Bei all dem Rummel ist es erstaunlich, wie selten das „Frühlingsopfer“ auf den Ballett-Spielplänen zu finden ist. Anders als die ähnlich populären TschaikowskyBallette ist „Sacre“ zum fast ausschließlichen Konzertstück geworden. Eine Entwicklung mit fatalen Folgen: Nur selten vermittelt eine Aufführung im Konzertsaal das Gefühl, dass es sich um Ballettmusik handelt.Auch wird die These, dass mit „Sacre“ die musikalische Moderne beginnt, deshalb gern dahingehend missverstanden, dass jeder Krach erlaubt ist. Eigentlich müsste jeder Dirigent das Stück zuerst einmal mit einem Ballett-Ensemble erarbeiten, um Strawinskys Umsetzung von Bewegung in Musik überhaupt verstehen zu können.

Dass „Sacre“ so populär ist, hat auch einen banaleren Grund: Mit gut einer halben Stunde Spieldauer passt er ideal in eine zweite Konzerthälfte, ist für einen Ballettabend aber viel zu kurz. Das fusionierte Berliner Staatsballett, das seine erste Premiere dem „Sacre“ widmete, folgt deshalb einer Tradition – und koppelt. Es hängt in der Staatsoper nicht nur Strawinskys „Feuervogel“, sondern auch Mozarts A-Dur-Klavierkonzert (Solo von Vladimir Malakhov) an (heute und 13.10.). In der heutigen Vorstellung voraussichtlich noch mit Daniel Barenboim am Klavier, der eigentlich auch den „Sacre“ leiten wollte, das Dirigat jedoch wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls an Kapellmeister Julien Salemcour abgegeben hat.

Jörg Königsdorf

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