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Kultur: Von belebender Wirkung

"Er konnte einen verzaubern", sagt Steffi Eisler im SFB-Dokumentarfilm "Genie bin ich selber" von Hanne Kaisik, der zum Abschluß dieser langen Hanns-Eisler-Nacht als Voraufführung gezeigt wurde."Was spricht eigentlich gegen den Kommunismus?

"Er konnte einen verzaubern", sagt Steffi Eisler im SFB-Dokumentarfilm "Genie bin ich selber" von Hanne Kaisik, der zum Abschluß dieser langen Hanns-Eisler-Nacht als Voraufführung gezeigt wurde."Was spricht eigentlich gegen den Kommunismus?" singt darin Gisela May ungewohnt weich, zu Aufnahmen des nachdenklich lächelnden Komponisten."Er war ein großer Liebender, wenn auch auf gebrochene Weise", umreißt Rektor Christoph Poppen in seinen Begrüßungsworten den skeptisch-optimistischen Welt- und Kunstveränderungswillen des Namenspatrons der Hochschule für Musik.Ungewohnte Perspektiven warf ihre Hommage zum 100.Geburtstag auf einen Komponisten, der bisher allzusehr auf seine Agitationsmusik - gewissermaßen als Song-Lieferant für Brecht-Texte - reduziert wurde und doch gerade in seiner Vielseitigkeit einer der Großen unseres Jahrhunderts war.

Daß dies ohne Pathos und Zeigefinger vermittelt wurde, garantiert schon das Programmarrangement durch den Studiengang Kultur- und Mediengestalt.Filmdokumente und Eisler-O-Töne in verschiedenen Räumen wurden dem positiven Glauben des revolutionären Künstlers an die damals brandneuen Medien Rundfunk und Film gerecht.Studenten tauften die im Foyer neu aufgestellte, jahrelang in die Bibliothek verbannte Büste von Fritz Cremer - "man hatte mich wohl mit Lenin verwechselt", meint dazu die fiktive Stimme des Meisters aus dem Off - übermütig mit Sekt; "die Welt verändern wir" glaubte das Publikum aufs Wort, als es, angefeuert vom intensiven Mezzosopran Susanne Bohrmanns, den Refrain des Songs singen durfte - ganz ohne den abgestandenen Massenlied-Mief.

Das Fest-Motto "Man kann nicht aus seiner Zeit austreten" galt auch für alle anderen studentischen Darbietungen, die sich diese Musik neu erobern.Daß Eisler alle Stilrichtungen beherrscht und jeweils sinnvoll einsetzen kann, belegte die ironisch zwischen Rokoko-Leichtigkeit und lasziver Chromatik changierende Ouvertüre zu Nestroys "Höllenangst".Mit bemerkenswerter Energie bewältigte Gesa Harms die technischen Probleme und kontrastreichen, hart gegeneinander geschnittenen Ausdruckswechsel der Violinsonate (Reisesonate) von 1937.Hochinteressant, wie heute junge Sängerinnen und Sänger - bewußt aus den Fachbereichen Klassik und Popularmusik - Eisler gegenübertreten.Die Sopranistin Alexandra Lachmann verbleibt zur zarten Gitarrenbegleitung Dorothea Kreisches mit der "Freundlichkeit der Welt" noch in harmlosem Schöngesang.Simone Richter gibt mit dunkler Soul-Stimme der Ballade "O Fallada, der du hangest" die eindringliche und gleichzeitig alltäglich-aktuelle Färbung.Matthias Hars ("Ballade von der Judenhure Marie Sanders") und Esther Kaiser ("Vielleicht-Lied") müssen sich dagegen vor Manierismen hüten.Ein starkes Talent ist die Sopranistin Bettina Jensen, die, kompetent unterstützt von Martin Schneuing am Klavier, den noch zwölftönig angesetzten "Zeitungsausschnitten" böse, sarkastische und hinreißend kraftvolle Töne gibt.Unter den Bravo-Rufen war auch einer von Gisela May - ihr umjubeltes "Lied von der Moldau" leitete zur "Swing- und Partytime" des HfM Jazzorchesters über, das dem "Lied von der belebenden Wirkung des Geldes" die - verständlicherweise? - eigenständigsten Facetten abgewinnen konnte.

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