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Kultur: Von der schieren Existenz eines Pappwürfels

So lapidar: Die Kunst-Halle Berlin zeigt zum Start den Werdegang des Bildhauers Heimo ZobernigVON ULRICH CLEWINGEs gibt Dinge, die keinen Gebrauchswert haben.Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie ohne Bedeutung sind.

So lapidar: Die Kunst-Halle Berlin zeigt zum Start den Werdegang des Bildhauers Heimo ZobernigVON ULRICH CLEWINGEs gibt Dinge, die keinen Gebrauchswert haben.Ihre Bedeutung liegt darin, daß sie ohne Bedeutung sind.Mit den Arbeiten des 1958 in Mauthen geborenen, in Wien lebenden Bildhauers Heimo Zobernig verhält es sich so: Sie sind da.Was sie behaupten, ist ihre schiere Existenz. Ein Würfel aus Pappkarton, schwarz lackiert, daneben eine schlanke Säule und - wie als deren Gegenstück - ein wuchtiger Zylinder: Die meisten von Zobernigs Skulpturen lassen sich auf geometrische Grundformen zurückführen.Einflüsse von der Arte Povera bis zur Minimal Art werden sichtbar.Doch sind die Werke nicht epigonal.So lapidar, geprägt vom Habitus der Verweigerung von Sinnhaftigkeit ist Kunst lange nicht mehr gewesen.Als Zobernig 1992 zur Documenta eingeladen wurde, schraubte der damals 34jährige eine mannshohe Wand aus Sperrholzplatten vor die Kabinette, versperrte den Blick auf die Alten Meister.Schlichte Geste, Anmaßung, reine Provokation.Der junge zornige Mann als Vatermörder des Museumswesens: das saß. Die Ausstellung in der neuen temporären "Kunst-Halle" Berlin ist nun der Versuch, den Werdegang Zobernigs nachzuzeichnen.Gezeigt werden dreißig Arbeiten.Bei den frühen Werken scheint es, als experimentiere Zobernig mit den Formen, als erkunde er seine Grenzen.Eine Röhre, aus der eine zweite, schmalere wächst, ein hochkant gestellter Quader, geteert und gefedert, ein an einer Seite offener Würfel aus Plexiglas, der über einen Sockel gestülpt wurde - das sieht für den, der die Eleganz des Einfachen schätzt, nett aus.Mehr nicht. Interessanter sind die hybriden Gebilde, welchen Zobernig ab Anfang der 90er Jahre seine Aufmerksamkeit widmet.Am Eingang zur Ausstellungshalle (ein mit geringen Mitteln effektvoll aufgefrischter Ex-Supermarkt) liegt eine Skulptur auf dem Boden, die aus drei Würfeln und einem Quader konstruiert ist.Mit ihr läutet der Künstler einen neuen Schaffens-Abschnitt ein: Man kann die Arbeit als plastisches Gebilde begreifen, aber auch als "E" lesen. In der Folgezeit entstehen Skulpturen, die ausschauen wie Möbel, auch als solche zu gebrauchen sind, in die der Künstler aber immer wieder kleine "Fehler" einbaut: Unstimmigkeiten, geeignet, den imaginierten Verwendungszweck prompt wieder in Frage zu stellen.Dies sind Zobernigs reifeste Werke.Die Berliner Ausstellung zeigt letztlich eine positive Bilanz: Diesem Künstler geht es wie dem sprichwörtlichem Wein, im zunehmendem Alter wird er besser. Kunst-Halle Berlin, Chausseestraße 119/120, bis 31.Mai; Dienstag bis Sonntag 12-18 Uhr, Freitag / Sonabend bis 20 Uhr.

ULRICH CLEWING

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