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Kultur: Von eifrigen Helfern

Ob Immendorff oder Marini: Die Herkunft mancher Bilder ist undurchsichtig

Vor sieben Jahren erwarb der Berliner Sammler S.* in einer etablierten Galerie eine Gouache von Marino Marini. Der Preis betrug 5500 Mark, und die Provenienz erzählte eine rührende Nachkriegsgeschichte: In den fünfziger Jahren war ein Künstler und späterer Professor der Humboldt-Universität nach Italien gepilgert, wo sich Marini mit der Gouache in dessen Skizzenbuch verewigt habe. 2002 lieferte S. das Blatt dann in einem süddeutschen Auktionshaus ein, wo es für knapp 10 000 Euro versteigert wurde. Die Freude über den Wertzuwachs währte jedoch nur kurz: Die Marini-Stiftung in Pistoia stufte die Gouache als Fälschung ein.

Ein Gutachter bestätigte die Stiftung, 2007 verurteilte das Landgericht München das Auktionshaus zur Rückzahlung. Regresspflichtig ist nun S. als Einlieferer. Der Anwalt im Ruhestand möchte die auf 17 000 Euro gewachsenen Forderungen allerdings nicht allein tragen, doch die Berliner Galerie weist jede Mitverantwortung von sich. „Sie beruft sich auf Verjährung“, meint der enttäuschte Sammler. „Das Thema ist komplex“, sagt Marcus Deschler, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Berliner Galerien. „Wenn ein Mitglied wissentlich Fälschungen verkauft, wird es natürlich ausgeschlossen. Aber wenn gutgläubig gehandelt wurde, gilt die gängige Rechtsprechung. Ich persönlich würde eine Einigung auf Kulanzbasis anstreben.“

Gutgläubig oder nicht – auch auf dem Kunstmarkt bestimmt das Angebot die Nachfrage. Ernst Schöller, Spezialist für Fälschungen beim Landeskriminalamt Stuttgart, schätzt den Anteil an Falsifikaten auf bis zu 60 Prozent. „Unser Podium ist vor allem das Internet, und es ist schon erstaunlich, mit welcher Unbedarftheit sich Käufer auf diesem anonymen Marktplatz bewegen“, erklärt die Leiterin des Berliner Kunstkommissariats, Bärbel Groth-Schweizer. Vieles gelange später erneut in den Handel. Denn anders als etwa in Frankreich können gefälschte Kunstwerke in Deutschland nur nach einem rechtskräftigen Urteil eingezogen werden. Der Berliner Sammler bekam seine Gouache zurück, ist von ihrer Echtheit jedoch auch nicht mehr überzeugt.

Ein ganzes Konvolut aus derselben Skizzensammler-Quelle wurde 2003 im Auktionshaus Ketterer angeboten. Nach Hinweisen auf die Zweifelhaftigkeit legte man die rund 30 Papierarbeiten, darunter zugkräftige Namen wie Picasso oder Chagall, Experten vor. „Die kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass es sich zu 98 Prozent um Fälschungen handelt. Wir haben die Sammlung dann zurückgezogen“, erklärt Robert Ketterer. Ebenfalls aus der Versteigerung nahm Ketterer im Juni ein Bild der Serie „Café de Flore“ von Jörg Immendorff. Dabei schien die Provenienz wasserdicht. Doch Michael Werner, langjähriger Galerist und Nachlassverwalter des 2007 verstorbenen Künstlers, meldete Zweifel an. „Die Signatur stammt von Immendorff“, meint Ketterer, „rechtlich gesehen, hätten wir es versteigern können. Doch der Ruf des Hauses ist mir wichtiger.“

Ins Wanken kommt indes Immendorffs Ruf; Geschichten und Gerüchte um Werkstattkopien und Fälschungen kursieren seit Monaten. Dass der Maler mit fortschreitender Krankheit Bilder von Assistenten fertigen ließ, hat er öffentlich gemacht. Doch die aktuellen Fälle sind diffiziler. So beschäftigt bald ein weiteres Gemälde der „Café de Flore“-Serie das Landgericht Düsseldorf. Immendorffs Witwe Oda Jaune ist überzeugt, dass es gefälscht ist und klagt auf Vernichtung. Michael Werner: „Es sind etwa 50 bis 60 inkriminierte Bilder aufgetaucht, und wer sich mit Immendorff auskennt, weiß das. Der Prozess soll eine Basis schaffen.“ Sollte die Stilanalyse ergeben, dass Immendorff nicht selbst gemalt hat, drohen die Besitzer ihrerseits mit einer Klage wegen Betrugs. „Das könnte eine ganze Welle von Schadenersatz-Forderungen gegen den Nachlass auslösen“, glaubt der Eigner-Anwalt Jochen Zirkel. Das Gericht muss klären, ob Mitarbeiter Werke, Signatur und Expertisen des Meisters gefälscht haben oder der Künstler bereits vor seiner Lähmung Gehilfen ans Werk ließ, die Bilder signiert und sie – ohne Galeristen und vorbei am Fiskus – als Originale verkauft hat. Auch Michael Werner weiß um zweitklassige „Brotbilder“, die nicht über ihn gehandelt wurden. Allerdings ist er davon überzeugt, dass sie von Immendorff selbst stammen. Klarheit soll auch ein Werkverzeichnis der Gemälde bringen, das gerade entsteht. Doch zunächst ist der Markt verunsichert, und man wird sehen, wie die kommenden Auktionen Immendorffs Werke aufnehmen.

* Der Name ist der Redaktion bekannt.

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