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Von Gerrit Bartels: Von Gerrit Bartels

War das eigentlich schon Pop, als The Rapture mit ihrem Hit „House of Jealous Lovers“ und dem Album „Echoes“ junge Menschen in den Metropolen zum Tanzen brachten? Oder noch Underground, Avantgarde, weil die Vermengung von Disco und Punk, von Rock und Elektronik so neu, so ungewohnt war, dass der Mainstream seine Zeit brauchte?

War das eigentlich schon Pop, als The Rapture mit ihrem Hit „House of Jealous Lovers“ und dem Album „Echoes“ junge Menschen in den Metropolen zum Tanzen brachten? Oder noch Underground, Avantgarde, weil die Vermengung von Disco und Punk, von Rock und Elektronik so neu, so ungewohnt war, dass der Mainstream seine Zeit brauchte? Die hat er bekommen, vielleicht zu viel. Über acht Jahre ist das her, im Pop eine Ewigkeit.

Da die New Yorker Band mit „In The Grace Of Your Love“ (DFA/Coop/Universal) gerade ihr viertes Album veröffentlicht hat, stellt sich die Frage erneut. Immerhin: Fast jedes Stück auf diesem Album ist ein lupenreines Popstück, mit einfachen Refrains und gängigen Rhythmen.

Die Zeit ist also lange reif für The Rapture, aber ist es die hibbelige Popwelt auch? Denn es fällt auf, dass die Band keine Eile hat. Das war schon nach „Echoes“ so, da ließen sie erst drei Jahre später wieder ein Album folgen. Und bei den dazugehörigen Konzerten standen noch immer die gleichen verfeinerten Pophipster herum, die sich ihrerseits wunderten, dass das Publikum nicht größer geworden war.

The Rapture wollten nicht die ganze Popwelt mit billigen Dancefloor-Hits umarmen, im Gegenteil: Sie hatten ihren Sound verfeinert, nicht immer ganz glücklich, und blieben weiterhin der Geheimtipp von ehedem. Insofern ist es fast eine Überraschung, dass es die Band um den umtriebigen Sänger und Frontmann Luke Jenner mit seiner herrlich knödeligen Robert-Smith-und-John-Lydon-Stimme noch gibt, dass sie mit „In The Grace Of Your Love“ ein Album veröffentlichen, das so tut, als hätte es nie einen Hype um The Rapture und ihren speziellen Sound gegeben. „Wen kümmert es, wie lange es braucht, bis eine neue Platte erscheint? Wenn diese wirklich gut ist, wird man sich Jahre später nur noch daran erinnern – und nicht, wie lange die Band gebraucht hat, um die Platte aufzunehmen“, sagte Jenner 2006. Das unterschreibt er vermutlich auch heute noch.

Auf der Soundoberfläche ist das von dem französischen Produzenten Philippe Zdar betreute neue Werk einmal mehr die Versöhnung von Disco und Punk, oder besser: vom Postpunk mit dem Dancefloor. Vom Opener „Sail Away“ bis hin zum späten Höhepunkt „How Deep Is Your Love“ pumpen und stampfen hier die Beats ohne Rücksicht auf Herzfrequenz und Schlagzahl, und erst beim Schlusssong „It Takes Time To Be A Man“ merkt man, dass The Rapture auch anders können: ruhiger, souliger, gelassener.

Überall haben Jenner und seine Mannen Gimmicks eingestreut. Durch viele Stücke schlängelt sich ein in diesem Fall unnerviges Saxofon, und hie und da gibt es eine fiese Bratzgitarre, ein zerschreddertes Akkordeon, ein perlendes Klavier. Jenner singt weiterhin so, als seien Melancholie und Übermut kein Widerspruch, als gehörten Verletzlichkeit und Pathos zusammen, als wollte er endlich riesige Stadien beglücken. Und merke: Pop ist ja schon lange nicht mehr nur etwas für den Augenblick. Guter Pop braucht manchmal seine Weile. Und wenn der Pop von The Rapture dann an die Zähigkeit einer Band wie New Order erinnert oder gleich ganz auf Klassikerstatus hinausläuft – die Band hätte vermutlich nichts dagegen.

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