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© DAVIDS/Darmer

Kultur: Von großem Theater

Thomas Langhoff erhält den Kunstpreis Berlin

Wenn man heute Schüler nach der Bedeutung der Märzrevolution von 1848 fragen würde, dann erntete man bestenfalls ein Kopfschütteln, zumindest glaubt das Klaus Staeck, der Präsident der Akademie der Künste. Was schlimmstenfalls passieren könnte, sagt er nicht. Der Kunstpreis Berlin 2010 wird verliehen, in der Hauptsache an den Theaterregisseur Thomas Langhoff, und das ist Staeck willkommener Anlass, ein bisschen revolutionäres Bewusstsein einzuklagen. Schließlich wurde diese Künstlerehrung 1948 gestiftet „als Verbeugung vor den Märzgefallenen“, vor jenen jungen Menschen also, „die ihr Leben riskierten für Freiheiten, die heute selbstverständlich sind“. Und wo er schon beim Thema ist, kündigt er eine „ketzerische Bemerkung“ an: „Was hätten die Märzgefallenen wohl zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses gesagt?“

Sein Folgeredner, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, ist damit nicht zu schocken, er weiß schließlich: „Mit dem Humboldt-Forum hätten die Märzgefallenen sich anfreunden können.“ Doch auch Wowereit will nicht zu viel Harmonie aufkommen lassen an diesem Abend, weswegen er an hitzige Debatten im Haushaltsausschuss mit Langhoff erinnert („ebenfalls großes Theater!“), der ja zehn Jahre lang, bis 2001, Intendant des Deutschen Theaters war. Sein Abgang hingegen sei dann „nicht das beste Theater“ gewesen, das von den Protagonisten geboten wurde. „Auch das gehört zur Wahrheit“, sagt der Regierende und schaut sehr ernst. Man sollte mal die kopfschüttelnden Schüler fragen, ob sie wissen, was damit gemeint ist. Die Miene des Preisträgers jedenfalls hellt sich erst wieder auf, als die Moderatorin und Langhoff-Muse Cornelia Froboess von all den bewegten Proben und einem missglückten gemeinsamen Hosenkauf erzählt.

„Es macht ihm nichts aus, eine Frauenperson auf der Bühne aus einem Wasserschlauch nass spritzen zu lassen, wenn es ihm in einer bestimmten szenischen Situation als sinnvoll erscheint, aber er würde sich hüten, (…) ein Markenzeichen daraus zu machen.“ So klingt ein besonders bemerkenswerter Satz aus der Laudatio, die der Publizist Friedrich Dieckmann auf Thomas Langhoff hält. Droht dem Gegenwartstheater, nach der Spaghetti-Klage des Daniel Kehlmann, jetzt eine Gartenschlauch-Debatte? Dieckmann jedenfalls feiert Langhoff als einen, der im Theater – inzwischen am Berliner Ensemble als Gastregisseur – noch Geschichten erzählen will. Der Geehrte selbst nutzt die Gunst der Stunde für ein ganz anderes Anliegen. „Lassen Sie den Musikunterricht an den Berliner Schulen nicht fallen!“, ruft er ins Auditorium. „Wer geigt, schlägt nicht!“ Der Applaus der Märzgefallenen wäre ihm sicher. Patrick Wildermann

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