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Kultur: Von Heißspornen und Kammerkätzchen

Salzburger Festspiele: Ursel und Karl-Ernst Herrmanns „Così fan tutte“-Inszenierung mit neuen Sängern

Ein Mann, attraktiver Bariton, verführt eine Frau, die einem anderen gehört. Mozarts Musik steht ihm mit sanftem Flötenklang bei. Die Liebe wird Wahrheit, so dass das Paar im Duett seine neue Beziehung begrüßt: „O glücklicher Wechsel der Herzen und Gefühle!“ Die Partitur bestätigt mit ihrem Andante grazioso, dass die beiden nun zusammen sind. Dorabella, von Guglielmo also erobert, sieht das Ganze realistisch, obwohl sie sich im poetischen Zeitstil des Librettisten Lorenzo Da Ponte ausdrückt: „Amor ist ein kleiner Dieb.“ Ihre Schwester Fiordiligi zögert noch, sich dem anderen so einfach hinzugeben – Ferrando, dem Bräutigam der Dorabella.

In „Così fan tutte“ geht es um eine ziemlich üble Wette. Dramatischer ausgedrückt: ein Menschenversuch. Harmloser: ein Spiel. Marivaux hat dabei Pate gestanden. Ferrando und Guglielmo prahlen mit der Treue ihrer Bräute Dorabella und Fiordiligi. Don Alfonso, der alte Philosoph, will ihnen beweisen, dass ihre Verlobten unbeständig sind wie alle Frauen. Seine Methode, Täuschung und Verkleidung, behält er sich vor. Die drei schlagen ein. Die Wette gilt.

Bei dem Team Ursel und Karl-Ernst Herrmann, das seine Inszenierung im Großen Festspielhaus von den Osterfest- spielen in den Sommer übertragen hat, gilt die Wette nicht. Zwar sind die feinsinnig ziselierten Mozart-Deutungen des Regie führenden Ehepaars keiner Kühnheiten à la Neuenfels, Konwitschny oder gar Bieito verdächtig. Diesmal aber haben sie sich an eine Korrektur Da Pontes gewagt.

Denn die Wette Don Alfonsos mit den jungen Männern kann nicht nach Plan gelten, weil die Mädchen sie belauschen. Das birgt die Gefahr komödiantischer Unverbindlichkeit, geht aber doch – mit erstaunlichem Tiefgang. Denn die Herrmanns hebeln das dramaturgische Konzept der Oper aus, um die Wesenswahrheit der Gefühle im Rahmen einer Spielerei zu untermauern. Niemals lügt die Liebe, egal, wen sie gerade mit wem verbindet. In aller Verwirrung bedeutet das: Gehorsam gegen den reinen Mozartstil.

Auf der Bühne steht ein Ensemble, das für die Sommerfestpiele ausgewechselt ist – bis auf den Don Alfonso des so erfahrenen wie engagiert beteiligten Thomas Allen. Seine Komplizin Despina entbehrt in Gestalt Helen Donaths der Soubrettenhaftigkeit des herkömmlichen Kammerkätzchens. Eine Matrone, die auch gesanglich auf sicherem Boden steht: So gewinnt Donath das Publikum sofort, wenn sie dem Alfonso sein Alter vorwirft, mit dem sie nichts zu tun haben wolle.

Dominierend im Quartett der Liebenden ist Elina Garanca als Dorabella, eine junge Mezzosopranistin aus Riga: Ihr dunkles Timbre triumphiert, und ihre schauspielerische Entschlossenheit und Ausstrahlung entsprechen dem aktiveren Liebhaber von Anfang an. Nicola Ulivieri versieht die Rolle des Heißsporns Guglielmo mit edler Kantabilität.

Die Regie zeigt, dass dieses hervorragende Paar das Spiel spielt, dass beide über die Wette Bescheid wissen und einander doch verfallen. Das darf getrost musikalische Werktreue genannt werden. Einer der jüngsten Debütanten in der Geschichte der Salzburger Festspiele ist der 22-jährige Tenor Saimir Pirgu aus Albanien, der als Ferrando in der Arie „Un’aura amorosa“, diesem heiklen Mozart-Highlight, mit labiler Intonation kämpft, sich aber später freisingt. Eine spezifische Farbe dieser Stimme wird noch zu entdecken sein. Die georgische Sängerin Tamar Iveri als Fiordiligi verströmt ihr Soprangold mit Glockenhöhe nicht als Selbstzweck, sondern gemäß ihrem Rollenbild im Zwiespalt der Empfindungen. Leider schmeicheln die Bläser der Wiener Philharmoniker in der Arie „Per pietà“ dem Ohr weniger als die liebende Verzweiflung des Gesangs.

Am Pult steht Philippe Jordan. Der gerade 30-jährige Sohn des Dirigenten Armin Jordan beruft sich, was „Così“ betrifft, auf den Dirigenten Karl Böhm: „Einer der ganz, ganz Großen.“ In der Tat gibt es Erinnerungen im Presto-Teil der Ouvertüre (die auf der Bühne mit Federballspiel gestört wird), im Andante des Terzetts Nr.10 wie der Einleitung des Duetts Nr. 21, die beide vom Wehen der Winde handeln. An solchen Stellen steigert sich das Orchester. Jordans Souveränität ist von der Berliner Staatskapelle her bekannt, wo er das Werk in einer beklagenswert albernen Inszenierung von Doris Dörrie dirigiert. Hier wie dort steht er mit sensibler Unbeirrbarkeit über der Partitur und trägt die Sänger.

Das Theater der Irrungen und Wirrungen endet mit einer schallenden Ohrfeige der Fiordiligi. Eine ambivalente Stimmung teilt sich mit, wenn das übermütige Gelächter der Mädchen in spontanes Erschrecken umkippt.

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