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Kultur: Von hinten

Christina Tilmann über die UN, Picasso und die Macht der Bilder Im Film wäre es so gewesen: Da wäre USAußenminister Colin Powell vor die Mikrofone getreten und hätte wortreich begründet, warum die Tonband-Mitschnitte irakischer Militärvertreter den Vereinten Nationen die Lizenz zum Eingreifen erteilten. Deutschlands Außenminister Joschka Fischer hätte noch einen kurzen, müden Versuch unternommen, die Mitglieder des Sicherheitsrats zum Einlenken zu bewegen.

Christina Tilmann über

die UN, Picasso und die Macht der Bilder

Im Film wäre es so gewesen: Da wäre USAußenminister Colin Powell vor die Mikrofone getreten und hätte wortreich begründet, warum die Tonband-Mitschnitte irakischer Militärvertreter den Vereinten Nationen die Lizenz zum Eingreifen erteilten. Deutschlands Außenminister Joschka Fischer hätte noch einen kurzen, müden Versuch unternommen, die Mitglieder des Sicherheitsrats zum Einlenken zu bewegen. Und dann wäre die Kamera geschwenkt: auf ein großes Bild im UN-Hauptgebäude. Zum Schrei gellend aufgerissene Pferdemäuler, zum Himmel gereckte Arme, am Boden hingestreckt verkrümmte Leiber, tränende Augen und über allem eine mitleidlose Sonne. Das Schlussplädoyer hätte die Kunst gehalten, überzeugender als jede Politik: gegen den Krieg.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Da wird die Teppich-Kopie von Picassos Antikriegsbild „Guernica“, die normalerweise den Hintergrund für Pressekonferenzen im New Yorker Hauptgebäude der UN hängt, kurz vor dem entscheidenden Auftritt Powells vor dem UN-Sicherheitsrat verhängt und durch eine neutrale hellblaue Tapete mit UN-Logo ersetzt. Der Ansturm der Journalisten habe eine andere, neutralere Hintergrundgestaltung erfordert, heißt es aus dem UN-Pressereferat. Es solle diesmal auf den ersten Blick erkennbar sein, dass die Pressekonferenzen im UN-Gebäude stattfinden. Und außerdem: So, wie das Mikrofon zur Zeit postiert ist, wäre jeder Sprecher automatisch direkt neben dem Hinterteil des wiehernden Pferdes von „Guernica“ fotografiert worden.

Neutralität statt übermächtiger Symbolik? Was auf den ersten Blick lediglich wie eine pragmatische Entscheidung angesichts einer publizistischen Ausnahmesituation anmutet, ist in Wahrheit mehr als das. Schon immer haben Bilder – oder ihr Fehlen – auch zur Legitimation politischen Handelns gedient. Die von den Taliban zerstörten Buddha-Skulpturen. Die zusammenbrechenden Türme des World Trade Centers. Die Ruinen von Kabul. Oder, andererseits, das Fehlen von Bodenaufnahmen der Zerstörung während des ersten Golfkriegs. Bilder haben Macht. Man sollte sie nicht unterschätzen.

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