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Von Holocaust bis Weißensee: Historie in Serie

Geschichte und Fiktion, das ist im Grunde ein falsches Gegensatzpaar. Von der US-Serie "Holocaust" bis zur ARD-Saga "Weißensee": Immer bringen Erzählungen die Historie ins Bewusstsein.

Jüngere Menschen könnten leicht auf die Idee kommen, dass unsere Geschichte eigens für das Fernsehen erfunden wurde. Nach diesem Prinzip funktioniert ja auch „Goodbye, Lenin!“, einer der größten internationalen deutschen Kinoerfolge der letzten Jahre. Die Zerstörung Dresdens, die Flucht aus dem Osten, Luftbrücke und Mauerbau, RAF und Stasi: Historie geht in Serie, das in dieser Woche angelaufene TV-Drama „Weissensee“ wird nicht das letzte sein. Da ist es schon nicht falsch, von einer Fiktionalisierung der Geschichte zu sprechen.

Aber das verschlägt weder die Fakten, noch schädigt es die Wahrnehmung. Denn das Fiktionale, also das Darstellen von Geschichte durch Geschichten, ist eine zivilisatorische Konstante. Menschen, Schicksale und Emotionen bringen uns eben dies nahe: Menschen und ihre Schicksale.

Die amerikanische TV-Produktion „Holocaust“ – sie lief 1979 in den dritten Programmen – hat den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden in das allgemeine Bewusstsein geholt, nachdrücklicher und nachhaltiger als viele staatstragende Formen der Vergangenheitsbewältigung. Denn Vergangenheit lässt sich nicht bewältigen, aber sie lässt sich erzählen – wie seinerzeit am Beispiel der fiktiven Familie Weiss.

Geschichte und Fiktion, das ist im Grunde ein falsches Gegensatzpaar. Auch der Historiker bleibt auf Erzählung angewiesen. Mit abenteuerlichen Geschichten aus fernen Ländern begann bei Herodot vor 2500 Jahren das, was man Geschichtsschreibung nennt. Der Grieche gilt in vielen Dingen als einzige und nicht unbedingt zuverlässige Quelle, er war mit einer kräftigen Fantasie begabt, und ob er tatsächlich so weit gereist ist, wie sein Werk den Anschein erweckt, werden wir nie erfahren. Es ist auch nicht entscheidend, denn sein Motto hat Bestand: „Dies ist die Darlegung der Forschung von Herodot aus Harlikanass, damit die Taten der Menschen nicht durch die Zeitläufe vergehen, damit die großen und bewundernswerten Taten nicht ruhmlos vorübergehen, die auf der einen Seite von den Griechen und auf der anderen Seite von den Barbaren an den Tag gelegt wurden, in anderer Beziehung und vor allem aus welchem Grund sie miteinander Krieg geführt haben.“

Menschen sitzen ums Feuer und erzählen. So hat es in der Höhle angefangen. So ist es immer noch, auch wenn sich die Erzählform geändert und der Bildschirm das Feuer ersetzt hat. Geschichte ohne Empathie bleibt nicht im Gedächtnis. Erinnerung lebt vom Schmerz, von starken Empfindungen. Der Rest ist Verdrängung.

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