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Kultur: Von Kopf bis Fuß aus Wut gemacht

Das Filmfestival „Traum und Trauma“ im Haus der Kulturen bringt die Konflikte Israels nach Berlin

Sie sind Freunde gewesen, die beiden Rapper Subliminal und Tamer, Ende des vergangenen Jahrhunderts, als es schon mal große Hoffnung gab für Israel und Palästina. Aber dann bricht, im Herbst 2000, die zweite Intifada aus, mit Tausenden von Toten in den folgenden Jahren – und Subliminal, auf Großkonzerten als „Licht von Zion“ gefeiert, hetzt gegen die Araber, während Tamer in seinen Texten Juden mit Nazis und Palästina mit einer vergewaltigten Frau vergleicht. „Ich bin total aus Wut gemacht“, rappt Tamer vor Tausenden von Zuhörern, „nur wenn ich singe, geht’s mir gut.“ Hiphop, die scheinbar so gemeinsame Lebensform, ist leider auch eine klasse Geisel der Politik – und die wenigen späteren Begegnungen der beiden erfolgreichen Rapper und ihrer Entourage siedeln folglich immer dicht an der Prügelei.

Einige Jahre lang begleitete die Dokumentarfilmerin Anat Halachmi das ungleiche Duo – und „Channels of Rage“, Konzertfilm, Fernsehbild-Kompilation und subtile Familien-Recherche zugleich (es sind auch die eisenharten Väter, die ihre Söhne Tamer und Subliminal auf Linie bringen), ist ein schmerzhaftes Zeugnis unvermeidlicher Entfremdung. Der gemeinsame Jugendprotest aus „Tel Avivi Provokativi“ ist einem kalten Hass gewichen, der sogar den zeitversetzten Auftritt des einstigen Freundes auf selber Bühne unmöglich machen will. Der Film registriert dies ganz ohne kommentierendes Tremolo – und zeichnet so ein besonders scharfes Bild von dem jungen, verwundeten Land namens Israel.

Rund 40 Filme und Videos, über die Hälfte davon Dokumentationen, versammelt das Festival „Traum und Trauma“ zwei Wochen lang im Haus der Kulturen der Welt. Ein Traum war die Staatsgründung für die Juden, das palästinensische Trauma dagegen heißt Vertreibung und Besetzung. In 15 Themenabenden will das Festival exakt dieser doppelgesichtigen Gegenwart Israels gerecht werden; weniger den spektakulären Nachrichtenoberflächen, sondern seinem Alltag, seinen Rändern, den unteren zumal.

Ruthie Shatz’ und Adi Barashs Dokumentarfilm „Gan“ (Garten) beobachtet die – überwiegend arabischen – Stricher in einer „Garten“ genannten hässlichen Kleingrünfläche in Tel Aviv. Sie leben, wie Stricher anderswo auch, zwischen Drogen, Besserungsanstalt und Obdachlosigkeit; was aber Nino und Dudu zu erzählen haben über die Nachtseite ihrer Stadt, geht weit über das übliche Prostituierten-Lebensdilemma hinaus. Da ist der ältere jüdische Freier, der seinen jungen Beau aus der Wohnung rauswerfen muss, weil der Vermieter keine „Terroristen“ duldet; da ist der junge Araber, der, zurück in Nablus, vom palästinensischen Geheimdienst als „Kollaborateur“ gefoltert wird – und der Film zeigt Prügelspuren, Schnittnarben, versehrte Körper. Freundschaft gibt es nicht im „Garten“ Eden – allenfalls trügerische Augenblicke des Trostes, etwa wenn ein Stricher dem anderen das Versprechen abringt, nie wieder zu fixen: „Schwör’s“, sagt er, „auf die Freundschaft, auf das Leben, auf Gott.“ Und der andere, völlig entkräftet, sagt die Wörter dahin.

Wenn das Festival, das solch rückhaltlose Suchbewegungen nicht scheut, heute mit Dominic Hararis und Teresa de Pelegris „Alles was ich an euch liebe“ eröffnet, dann mag das als gleich mehrfacher Stilbruch erscheinen. Der Film, der diese Woche ohnehin ins Kino kommt (Tsp. vom 1. Dezember), ist ein hübscher, aber eher belangarmer audience pleaser. Eine junge Jüdin führt ihren palästinensischen Lover in die eigene, reichlich turbulente Familie ein – und das nicht in Israel, wo sofort eine gesellschaftliche Umgebungsspannung entstünde, sondern in Spanien. Wie gut, dass das Festival sonst weniger auf derlei boulevardtheaterhafte Laborversuche setzt. So zeigt es nicht nur Tawfik Abu Waels bewegende palästinensische Familienstudie „Atash“, sondern auch Hany Abu-Assads „Paradise Now“: Der bekam auf der diesjährigen Berlinale sicher nicht deshalb einen Publikumspreis, weil er Selbstmordattentate rechtfertigt (wie seither immer wieder mal gegen den Film polemisiert wird), sondern weil er zeigt, dass mitten in der todgeweihten Ferngesteuertheit des Einzelnen plötzlich die pure Verheißung des Lebens aufleuchten kann. So ließe sich „Paradise Now“ sogar programmatisch für das Festival als Ganzes lesen, das ohne ideologischen Eifer zwischen Rissen, Bewegung und Hoffnungen seine eigene Durchlässigkeit bewahrt.

Haus der Kulturen der Welt, bis 18. Dezember. Eröffnung heute um 19 Uhr, die Rede hält Daniel Barenboim.

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