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Kultur: Von Kriegen und Krähen

Zum 10. Mal: Jubiläum beim Filmfest Sarajevo

Seit 1995 gilt das Filmfestival Sarajevo als Seismograf für die Stimmung in einer Region – und als eindrucksvolles Symbol für die Macht des Kinos. Die Idee einer internationalen Filmschau kam auf, als der serbische Granatenhagel auf Sarajevo im Sommer 1993 seinen Höhepunkt erreichte und die hungernde Stadt zu verzweifeln drohte. Kulturschaffende organisierten eine provisorische Schau in der eingekesselten Stadt, unter dem Motto: „Nach dem Welt-Ende“. Zwei Jahre später startete das erste Festival mit 37 Filmen aus 15 Ländern; 15000 Menschen wagten sich unter Todesgefahr ins Stadtzentrum, um die durch einen Tunnel eingeschmuggelten Filme zu sehen.

Auch beim 10. Filmfest, das am 20. August eröffnet wurde, ist die Open-AirArena immer noch Treffpunkt für die Bürger der Stadt. Hier werden Blockbuster gezeigt und einige der 180 Produktionen aus aller Welt. Etwa 100000 Besucher sind gekommen, zu den angereisten Stars zählen John Malkovich, Carole Bouquet und Gérard Depardieu.

Bei allem Glamour bleiben die Filme aus Südosteuropa die besondere Stärke des Festivals. Dem Beobachter aus dem Ausland mögen viele Anspielungen und regionale Feinheiten entgehen, dennoch vermitteln die Alltagsgeschichten aus Bulgarien, Albanien, Serbien-Montenegro, Bosnien oder Kroatien viel vom Lebensgefühl vor, während und nach den kriegerischen Auseinandersetzungen. Dabei ist der Tonfall mittlerweile leiser geworden. Der Heroismus früherer Tage : passé.

In „Zurka“ (Party) versuchen Jugendliche, den heraufziehenden Geschützdonner und die drohende Einberufung zu ignorieren. Und doch wissen sie, dass ihre Zukunftspläne, der Trip nach Amsterdam, gefährdet sind. Der kleine Studentenfilm „Uvozne Vrane“ (Importierte Krähen), gedreht in drei Tagen für knapp 100 Euro, zeigt ein Dorf, das verzweifelt aber entschlossen gegen eine angebliche Krähenplage kämpft: Die Bewohner bezeichnen die Vögel mit denselben Worten wie früher die Serben. Der in Sarajevo spielende Eröffnungsfilm „Kod amidze Idriza“ (Bei Onkel Idriz) schließlich fängt die Stimmung im heutigen Bosnien ein. Regisseur Pjer Zalica erzählt von der Mechanik des Weiterlebens zweier alter Leute, deren Sohn im Krieg gefallen ist – bis der Neffe auftaucht. Mit seiner Hilfe überwinden sie ihre Trauer und zelebrieren das Leben mit einem balkanischen Musikinferno.

Das Festival selbst rüstet sich für die Zukunft und versucht, seine schwindende Symbolkraft als Kriegskind mit der Rolle als wichtigstes Festival für den südosteuropäischen Film zu kompensieren. Neun Filme konkurrieren diesmal um den mit 25000 Euro dotierten Großen Preis. Verliehen wird er am heutigen Sonnabend.

Friederike Graeper

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