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Kultur: Vor: All That Jazz

Don Cherry strahlt. Bombay ist eine funky, funky Stadt, sagt er.

Don Cherry strahlt. Bombay ist eine funky, funky Stadt, sagt er. Am Silvesterabend 1991 hockt er mit Trilok Gurtu und Shankar in einem Hotelzimmer in Bombay, um für das gemeinsame Neujahrskonzert zu proben. Cherry improvisiert Musik aus Stimmungen heraus, er glaubt nicht an den Perfektionismus der Kunstbeflissenen, sondern an Eingebung und Seelenverwandtschaft. Der Geiger Shankar ist der Leader dieser Neujahrsband (Sie erinnern ihn vielleicht noch von seinen Aufnahmen mit John McLaughlin und Jan Garbarek). Der einstündige Film "Bombay und Jazz", der am Dienstag um 20 Uhr im Haus der Kulturen der Welt gezeigt wird, ist aber nicht nur das einfühlsame Porträt eines ungewöhnlichen Konzertes mit dem Erfinder des Worldjazz, Don Cherry, er zeigt auch die Pianistin und John Coltrane-Witwe Alice in einem Setting, das über ihre eigenen Platten mehr verrät als alle Liner Notes dieser Welt.

Seit Donnerstag probt Maria Schneider schon mit dem Jazzorchester der Hochschule der Künste in Berlin. Die führende Arrangeurin der amerikanischen Jazzszene hat Kompositionen verschiedener HdK-Jazz-Studenten für eine BigBand-untypische Besetzung mit Cello, Vibrafon, drei Stimmen und vier Bläsern neu bearbeitet und wird sie morgen Abend um 20 Uhr in der Kalkscheune aufführen. Schneider machte sich vor allem in New York einen Namen, als sie noch jeden Montagabend mit ihrem großen Orchester im Jazzclub Visiones auftrat. Im Sommer des vergangenen Jahres stand sie auf der Bühne der Carnegie Hall, um den Miles Davis Klassiker "Sketches Of Spain" zu dirigieren, der einst von Schneiders Mentor, Gil Evans, arrangiert worden war.

Die neue CD "Layers Of Light" von Nils Landgren und Esbjörn Svensson knüpft unmittelbar an "Swedish Folk Modern" an, die der Posaunist 1997 mit seinem langjährigen musikalischen Partner aufnahm. Landgren, der am Donnerstag 45 Jahre alt wird, ist schon lange als eine Art skandinavischer Jazz- und Folkbotschafter unterwegs. Der schwedische Pianist Esbjörn Svensson, Jahrgang 1964, ist neben seiner Tätigkeit in Landgrens Funk Unit auch mit seinem eigenen Trio EST, "Good Morning Susie Soho", sehr erfolgreich. "Layers Of Light" ist eine ruhige, intensive Duoeinspielung, assoziativ und einladend. So vorsichtig gehen die beiden mit den tradionellen Songs ihrer Kultur um, als drohten diese ständig, just im nächsten Augenblick zu zerbrechen. Eine klare, bezaubernde und sympathisch stille Aufnahme aus dem weiten Norden. Am Freitag spielen Landgren und Svensson in der Passionskirche um 20 Uhr. Sie können diesen Termin natürlich auch nutzen, um den neuen künstlerischen Leiter des Berliner JazzFests kennen zu lernen. Landgrens Tourneeplan für die kommenden Monate liest sich zwar eher so, als hätte er absehbar nicht viel Zeit, in Berlin heimisch zu werden - muss er ja vielleicht auch nicht. Das Thema, Skandinavien, steht fest, bleibt die Frage: Wohin mit den Altlasten? Wie vielen Künstlern sind in der Ära vor Landgren schon Auftritte beim diesjährigen JazzFest versprochen worden? Wie viel Entscheidungsspielraum bleibt dem neuen Leiter? Haben sich etwa jene zu früh gefreut, die tatsächlich an den Neuanfang des einst großen Jazzfestivals glaubten? Oder steht Landgren da einfach drüber? Er ließ sich bei seiner ersten Pressekonferenz jedenfalls noch nicht dazu hinreißen, die Katze im Sack zu kaufen.

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