zum Hauptinhalt

Kultur: VOR - All that Jazz

Was macht eine Band groß? Was macht eine Band zur Band?

Was macht eine Band groß? Was macht eine Band zur Band? Welche Kraft bündelt improvisierte Linien zur Einheit? Ist es vielleicht das führende Prinzip eines Solisten? Ist es das Prinzip eines Leaders? Joe Zawinul, der Keyboarder, ist sich da ganz sicher: "Einer", ruft er, "muß der General sein!".Aber das Berliner Jazz-Wunder Jazz Indeed hat keinen General.Und dennoch macht dieses Quinett, das längst den Tagen entwachsen ist, als es von ehemaligen Studenten der HdK gegründet wurde, wunderbare, traumhafte Musik.Ganz ohne Kommandanten erreicht es auf seiner aktuellen CD - "einer Reise zum Mond und zurück in elf Stücken" - sein Ziel.Und so zelebriert Jazz Indeed auf "Who the Moon is" (Traumton Records) einen sensiblen, wohlgeformten Kammer-Jazz, der eine schwebende Machtbalance zwischen cremig-zartem Balladenschmelz und knackigen Großstadt-Grooves hält.Und weil lunatische Erfahrungen sich nun mal am besten mit allen Sinnen erleben lassen, lädt das mondsüchtige Quintett mit sicherem rhythmischen Gang zur Record-Release-Party ins Zeiss-Großplanetarium (Freitag, 9.10., 20 Uhr).Funkelnden, meditarrenen Sternenhimmel wird man sich auch als Beleuchtung im Haus der Kulturen der Welt wünschen.Wenn der Poet des Oud-Spiels, der Tunesier Anouar Brahem, sich wohlig-weiche, vor melodischer Wärme strahlende Dialoge mit gestandenen Jazzern liefert (Sonnabend,10.9., 20 Uhr).Brahem ist ein Meister des Sutilen, ein Könner im Ertasten und Erfühlen von Atmosphären.Seine Partner, der Bassist Dave Holland und der Saxophonist und Baßklarinettist John Surman, werden erst gar nicht versuchen, Brahem von der üblichen Jazzsicht der Dinge zu überzeugen.Sie lassen sich ganz gefangen nehmen von der arabischen Energie seiner mediterranen Musik-Poesie.Fusion ist ein viel zu schwaches Wort für diese transkulturellen Musikträumereien, in denen jeder Musiker die eigenen Grundsätze auf spirituelle Melodietauglichkeit überprüft.Doch man kann Spiritualität nicht nur träumen.Man kann sie auch tanzen.Ekstatisch, wild, vital.Musik als "healing force of the universe", als spirituelle Kraftquelle - das ist bei Pharoah Sanders nicht Slogan, sondern seit 30 Jahren vehement gelebtes Programm.Der Musiker, der an der Seite von John Coltrane das Saxophon in hymnische Free-Jazz-Flammen aufgehen ließ, erlebt derzeit ein rauschendes Comeback.Und wird im Tränenpalast (Sonnabend, 10.9., 21 Uhr) die Atmosphäre seiner legendären Impulse-Platten in die Gegenwart übersetzen.Sanders verankert den Flirt mit den großen außereuropäischen Musikkulturen in der Neuzeit.Seine aktuelle CDs schlagen eine Brücke von den traditionellen Talas der nordindischen Musik zu den fraktalen Beats des Drum & Bass.Sie nutzen die hypnotische Energie der afrikanischen Musik als Kraftquelle für die gedehnten Zeitabläufe der Ambient Music.Und spätestens dann, wenn Pharoah Sanders sein Saxophon über einfache, pendelnde Harmonien zur flammenden Rede bringt, wird klar: Eine Band hat kein Ego.Eine Band hat einen Sound.

GÜNTHER HUESMANN

Zur Startseite