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Kultur: VOR - All that Jazz

Die Aktivitäten des Jazz-Radios sind wahrhaftig hitverdächtig.In seinen liebevollen Bemühungen, die Marktanteile für swingende Musik zu erhöhen, scheint der Sender eifrig bestrebt zu sein, die höchste Quote im Rauswerfen seiner Mitarbeiter zu erreichen.

Die Aktivitäten des Jazz-Radios sind wahrhaftig hitverdächtig.In seinen liebevollen Bemühungen, die Marktanteile für swingende Musik zu erhöhen, scheint der Sender eifrig bestrebt zu sein, die höchste Quote im Rauswerfen seiner Mitarbeiter zu erreichen.Nachdem im Sommer letzten Jahres der Programmdirektor mitsamt seiner Entourage gehen durfte, hat es nun Ernst Bier erwischt.Der Schlagzeuger, der in seinen Sendungen eine muntere Schnittstelle zur Berliner Szene bildete, wirkte wohl ein wenig fehl am Platze in einem Programm-Konzept, das sich freundlich auf eine imaginäre Mainstream-Klientel verengt.Warum muß diese Musik auch nur so überbordend, wild und explosiv sein? Könnt ihr Jazzer nicht ein bißchen ruhiger spielen? Der virtuelle Takeover durch ein (wie man in der Fachsprache sagt) "Selector-Programm" hat im Jazz-Radio längst stattgefunden: ein Computerprogramm sucht aus, was dem Hörer als spontane Kost serviert wird.Währenddessen gähnen die Öffentlich-Rechtlichen und fegen den Bastard Jazz verlegen unter den Teppich ihrer Nachtprogramme.Wo aber, wenn nicht im Radio, findet die musikalische Realität statt?

In den Clubs! Im A Trane kann Ernst Bier jetzt endlich ungestört das tun, was er ohnehin am besten macht: feinnervig swingend Schlagzeug spielen.Zum Beispiel in der Gruppe des Vibraphonisten Karl Berger.Erfolgreich feierte der Vibraphonist den Spagat zwischen Jazz und Weltmusik schon zu Zeiten, als andere Jazzer für die großen Musikkulturen Afrikas und Asiens nur ein müdes Lächeln übrig hatten.Auch als Pianist ist Berger ein milder, sinniger, sensibler Fabulierer und ein Könner im Spinnen von feinstem silbrigen Improvisationsgarn (18./19.2., 22 Uhr).

Emil Viklicky ist nicht nur ein begnadeter Komponist von Filmmusiken ("Kondom des Grauens").Der tchechische Pianist spielt auch einen ganz passablen Straight-Ahead-Jazz, der persönliche Züge dadurch erhält, daß er seine Balladen auf Samtpfoten durch mollgetränkte moravische Folk-Songs stapfen läßt (Badenscher Hof, 19./20.2., Beginn 21 Uhr).

Fred Frith träumt in seiner Musik von Klängen, die weder an Genre- noch an Stilgrenzen halt machen.Der Gitarrist, der Supermärkte heimsucht, um Erbsen, Nudeln und Bohnen auf ihr Klangpotential zu untersuchen, genießt im Bereich zwischen Art Rock und frei improvisierter Musik Heiligen-Status.Im Quasimodo segelt Fred Frith gemeinsam mit dem Franko-Kanadier René Lussier durchs Niemandsland unerhörter, irisierender Gitarren-Klänge (19.2., 22 Uhr).

Haarscharf an den Hörerwartungen vorbei phrasiert auch das Berliner Kult-Trio Der Rote Bereich, das dem zeitgenössischen Jazz köstliche Beulen aus Monkschem kauzigen Humor, Dolphys großintervallischen Baßklarinetten-Tiraden und Bill Frisells ätherischen Schwebeklängen verschafft (A Trane, 17.2., 22 Uhr).Und in dem Neuberliner Herb Robertson, dem Meister der gestopften Trompeten-Raserei, haben die drei einen Seelenverwandten gefunden, der die humorgefilterte Chuzpe des Trios durch improvisatorische Derwisch-Energie verlängert.

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