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Kultur: VOR-Babel & Co

Kennen Sie Utz? - ?

Kennen Sie Utz? - ? - Aber vielleicht haben Sie schon von Böttger gehört? Meißen, Porzellan? Anfang des 18.Jahrhunderts erfand der Alchimist das "weiße Gold", gerade noch rechtzeitig, um dem Galgen zu entgehen, den ihm der rasend ungeduldige August von Sachsen schon in Aussicht gestellt hatte.Böttger malte ein Schild und hängte es über die Tür zu seiner Werkstatt: "Gott unser Schöpfer macht aus einem Goldmacher einen Töpfer." Schlecht gereimt, freilich, aber lehrreich übertragbar auf viele Künste und Künstler.Auf Utz nicht.Der hatte es von Anfang an mit Porzellan, war ein leidenschaftlicher Sammler der herrlichen weißen Zerbrechlichkeit.Utz ist der Held von "Utz", einem Roman von Bruce Chatwin (genau, der mit den "Traumpfaden").In diesem kleinen, feinen, fulminanten Büchelchen sagt Chatwin: "Ich bin kein Experte für Meißner Porzellan - obwohl die Jahre, in denen ich durch Kunstmuseen schlurfte, mich gelehrt haben, was es ist." Chatwin hatte bei Sothebys gearbeitet und überhaupt ein "abenteuerliches" Leben geführt, das trotz seiner Kürze, er wurde nicht einmal fünfzig, viel Spannungsstoff für eine Biographie bietet.Und an der arbeitet jetzt Nicholas Shakespeare, um sie bis 1999, dem zehnten Todesjahr Chatwins, fertig zu kriegen.Darüber, aber auch über Shakespeares eigene Romane (zuletzt "Der Obrist und die Tänzerin") kann man sich am nächsten Dienstag ab 19 Uhr im Literarischen Colloquium unterhalten.Shakespeares Partner ist übrigens der Lyriker und Romancier Adam Thorpe.Vorgestellt werden die beiden Autoren von Bernhard Robben.

Am Sonntag findet um 11 Uhr im Deutschen Theater eine "Doktor Faustus"-Matinee statt.Es lesen Jörg Gudzuhn und Thomas Langhoff.Eine gute Gelegenheit, um schon einmal für den "Thomas-Mann-Marathon" mit Klaus Maria Brandauer zu trainieren, der für Januar nächsten Jahres angekündigt ist.

Die Grimmschen Märchen sind abgründig, wenn auch nicht so grausam wie die von Andersen.Manche Schriftsteller lieben es, derlei "hard stuff" aus dem klassischen Literaturbestand noch zu forcieren.Das galt etwa für die amerikanische Autorin Anne Sexton, die sich einige Märchen der Herren Grimm unter die gefährlichen Nägel gerissen hat, wenn ich das mal so ausdrücken darf.Zum 70.Geburtstag der Sexton, sie nahm sich vor einem Vierteljahrhundert das Leben, präsentiert am Freitag um 20 Uhr die Sängerin Karin Liersch, unterstützt von dem Jazz-Pianisten Klaus Gertken, ein biographisches Porträt (Buchhandlung Herschel im Gründerinnenzentrum Weiberwirtschaft, Anklamer Str.38).

Im Sommer bekam die Stadt Berlin höheren Zuzug.Die ehrwürdige Zeitschrift "Merkur" hat ihre Redaktion verlagert und seitdem sammelt der langgediente Kämpe Kurt Scheel seine Autorinnen und Autoren von einem Hauptstadt-Hochsitz aus um sich.Die Zeitschrift für akademische Eloquenz hat zart (bei Herausgeber Bohrer eher hart) die Hand am Puls der Zeit, auch wenn die alte Dame gelegentlich Pulswärmer trägt und sich auf diese Weise gegen zeitdiagnostische Befühlung zu schützen weiß.Wie man trotzdem immer wieder an sie rankommt, erklärt Kurt Scheel am nächsten Dienstag ab 20 Uhr im Literaturhaus.Unterstützt wird er von Jörg und Mariam Lau, die ihre Beiträge zum Postmoderne-Sonderheft des "Merkur" zur Diskussion stellen.

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