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Vor dem Showdown: C/O Berlin steht trotz Erfolgs auf der Kippe

Der Fortbestand des Fotoforums C/O Berlin ist akut gefährdet. Trotz aller Erfoge. Nun müsste politisch gehandelt werden.

Die Luft brennt jetzt, mitten im Berliner Winter. Denn die Zeit rennt. Rennt gegen die Fortexistenz des weit über die Hauptstadt hinaus renommierten Foto-Forums C/O Berlin. Erst unlängst hat die „New York Times“ dem Ausstellungshaus im alten Postfuhramt in Berlin Mitte eine Seite gewidmet. In zwei Wochen will C/O Berlin das Jahr 2011 mit einer spektakulären Retrospektive der amerikanischen Fotolegende Robert Mapplethorpe eröffnen – doch zuvor wird C/O-Geschäftsführer Stephan Erfurt mit seinen Kollegen Ingo Pott und Marc Narosta am 21. 1. zu einer Pressekonferenz laden, die Sprengstoff birgt. Weil C/O dem eigenen Erfolgsboom zum Trotz auf der Kippe steht.

Am 31. März läuft offiziell der bisherige Mietvertrag im Postfuhramt ab. Ein neuer Eigentümer, die israelische Elad Group, plant auf dem Areal ein Hotel und Geschäftszentrum und hat, wie berichtet, C/O deswegen gekündigt. Noch laufen (offenbar zähe) Gespräche über eine Mietverlängerung bis Ende dieses oder gar des nächsten Jahres, zumal für das Elad-Vorhaben im denkmalgeschützten Postfuhramt noch ein längeres Baugenehmigungsverfahren bevorsteht. Doch etwa zwei Jahre dauert, mindestens, auch der Neu- oder Umbau eines künftigen C/O-Quartiers, für das sich bisher alle konkreten Aussichten zerschlagen haben.

Im Sommer noch, als die unverhoffte Kündigung ins Postfuhramt hagelte, hatte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, unterstützt von prominenten Bundes- und Landespolitikern aller Parteien, verkündet, dass man C/O Berlin bei der Quartiersuche forciert helfen werde.

Bis Dezember schien es dann so, als stünde eine attraktive Lösung vor der Tür. C/O Berlin hatte zunächst einen Neubau-Vorschlag für den derzeit verrotteten Monbijoupark gegenüber der Museumsinsel präsentiert. Weil der Bezirk Mitte dort eine reine Grünanlage plant, schien sich der Plan indes schnell zu zerschlagen. Inzwischen begann man mit der Jüdischen Gemeinde Berlin, die seit kurzem wieder über die frühere Jüdische Mädchenschule im Galerienviertel an der Auguststraße in Mitte verfügt, über eine Perspektive für die leerstehende, zwischenrein auch schon mal für die Kunstbiennale genutzten Immobilie zu verhandeln.

C/O hatte dafür eine Mischung aus Sanierung und behutsamer Neugestaltung insbesondere der gründerzeitlichen Innenhöfe entwickelt. Nahe dem jetzigen Standort hätte es dann neben großzügigen Ausstellungsräumen, Buchläden und Café auch ein Ausbildungs- und Forschungszentrum gegeben, um in der Verbindung von Bildern und Ausbildung auch an die pädagogische Tradition des Orts anzuknüpfen.

Das Team von C/O Berlin, das seit zehn Jahren gemeinnützig und ohne öffentliche Subventionen arbeitet, wollte hierfür bis zu sechs Millionen Euro aus eigenen Mittel investieren und hoffte wohl auf eine mittelfristig entsprechend geringere Miete. Kurz vor Weihnachten aber endeten die Gespräche angeblich abrupt, und die Jüdische Gemeinde gab bekannt, ihr Grundstück ab diesem Januar an den Berliner Galeristen Michael Fuchs zu vermieten.

Am heutigen Freitag will Fuchs nun seine künftige, kommerziell-kulturelle Nutzung des Areals mitsamt Umbauplänen der Architekten Armand Grüntuch und Almut Ernst vorstellen. Dabei soll neben Galerieräumen ein Teil der früheren Schule als neue Dependance des Restaurants „Grill Royal“ betrieben werden.

C/O-Geschäftsführer Stephan Erfurt zeigte sich über die „für uns völlig unerwartete“ Entscheidung der Jüdischen Gemeinde „ziemlich schockiert“. Dagegen sagt Gemeinde-Geschäftsführer André Lossin dem Tagesspiegel, man habe mit „offenen Karten“ gespielt und das finanzielle Angebot von Michael Fuchs sei „unschlagbar“ gewesen: „Wir haben als öffentliche Körperschaft eine Vermögensbetreuungspflicht, und die Gemeindeversammlung hat dem Konzept mit Zweidrittelmehrheit zugestimmt.“ Neben den Sanierungskosten will Fuchs der Gemeinde offenbar jährliche Mietzahlungen in sechsstelliger Höhe garantieren.

Die Entscheidung der finanziell bedrängten Jüdischen Gemeinde über ihre eigene Immobilie ist durchaus korrekt. Beim Fortbestand von C/O Berlin aber geht es um mehr als eine private Geschäftsidee. Es geht um eine mit jährlich 200 000 Besuchern, mit hochkarätigen Symposien, Nachwuchswettbewerben und Ausstellungen der Foto-Weltkunst von Eisenstaedt bis Lindbergh, von Lagerfeld bis Leibovitz, von Magnum bis Mapplethorpe international ausstrahlende Institution. Eine Institution, die als nicht gewinnorientierte und nicht subventionierte Unternehmung ein herausragendes Beispiel zivilgesellschaftlichen kulturellen Engagements bedeutet. Angesichts ihrer zahlreichen spektakulären Ausstellungsprojekte (unter anderem zum Jubiläum der Terroranschläge vom 11. September), für die längst Verträge bestehen, braucht es ein Haus – und sehr schnell ein für die Zeit ab 2012/13 nutzbares Grundstück in zentraler Lage.

Berlin, der Regierende und seine Kulturverwaltung muss jetzt, um im Wort zu bleiben und Schaden abzuwenden, etwas anbieten. Und der Plan, im Mombijoupark, auf städtischem Grund, die dort geplante Grünanlage mit einer brillanten gläsernen Ausstellungshalle von C/O-Architekt Ingo Pott zu verbinden (vgl. Tsp. vom 27. 9. 10), ist nach wie vor machbar und wäre für alle Seiten genau betrachtet: ideal. Wo jetzt Ödnis herrscht und wo Berlin statt nur einer weiteren Pinkelwiese eine hochattraktive Verbindung zwischen Museumsinsel und Galerieviertel bekommen könnte, müsste mit gemeinsamem Willen auch der bestehende Bebauungsplan zu ändern sein. Baustadtrat Ephraim Gothe vom Bezirk Mitte gestern zum Tagesspiegel: „In der Not bin ich gerne bereit für eine neue Diskussion. Auch wenn es politisch und planerisch schwierig wäre.“ Nun soll es wohl sein.

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