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Kultur: VOR Sotto voce

Oft genug haben wir in diesem Blatt über die konservative Programmgestaltung der diesjährigen Festwochen geklagt, aber beim fünfteiligen Gielen-Porträt konnten die Veranstalter auf selten gespielte Neue Musik doch nicht ganz verzichten.Vergangene Woche hat der Chef des SWF-Orchesters das Cello-Konzert von Friedrich Cerha am Pult der Philharmoniker uraufgeführt, sonst sich allerdings mehr um Bruckner bemüht.

Oft genug haben wir in diesem Blatt über die konservative Programmgestaltung der diesjährigen Festwochen geklagt, aber beim fünfteiligen Gielen-Porträt konnten die Veranstalter auf selten gespielte Neue Musik doch nicht ganz verzichten.Vergangene Woche hat der Chef des SWF-Orchesters das Cello-Konzert von Friedrich Cerha am Pult der Philharmoniker uraufgeführt, sonst sich allerdings mehr um Bruckner bemüht.Der Komponist Michael Gielen bleibt, wie im richtigen Leben auch, im Hintergrund.Wäre da nicht Peter Hirsch, der sich heute um 19 Uhr 30 im Kammermusiksaal des Konzerthauses mit dem Ensemble UnitedBerlin und dem Anton-Webern-Quartett seiner annimmt.Die "Sechs Lieder" für Gesang (Angelika Luz) und Instrumentalisten, 1951-54 auf Texte von Michelangelo, Hölderlin, Eichendorff und Rilke entstanden, atmen ganz den Geist expressiver Zwöftönigkeit der Zweiten Wiener Schule, den Eduard Steuermann dem Exilantensohn in Argentinien vermittelt hatte.Ihnen steht Anton Weberns viel zu selten gespieltes Juwel serieller Konstruktion, das Quartett op.22 für Geige, Klarinette, Tenorsaxophon und Klavier zur Seite.Ganz in der Tradition Adornos sträubt sich Michael Gielen gegen jene "beschädigtige Musik, die diese beschädigtige Gesellschaft verdient." Nicht nur habe der Hörer Ansprüche an die Musik, diese habe auch Ansprüche an den Hörer.Die Kunst soll sich dem einfachen Konsum widersetzen, ohne jedoch völlig hermetisch zu werden.Der Instinkt möge der Ernährung und Fortpflanzung vorbehalten bleiben, für die Kunst darf man das Gehirn bemühen.Dieses ästhetische Credo spricht Gielen in seinem Melodram mit Zwischenspielen "Die Glocken sind auf falscher Spur" (1967-69) unmittelbar aus.In freier Sprachpolyphonie verbinden sich eigene Äußerungen mit Zitaten von Adorno und Hans Arp, die sich auf eine Sängerin, einen Sprecher am Harmonium und Tonbandeinspielungen verteilen.Alle Spieler des Sextetts bedienen auch Glockeninstrumente und folgen in einer offenen Partitur verschiedenen Graden musikalischer Fixierung.Dazu tönen Selbstzitate, Nonos "Canto Sospeso" und Mahlers "Lied von der Erde" aus den Lautsprechern.So entsteht im Geiste Bernd Alois Zimmermanns ein semantisch dichter Klangkosmos, auf dessen Umsetzung durch Peter Hirsch, der seit der gemeinsamen Arbeit an der Frankfurter Oper in den 80er Jahren mit Gielen freundschaftlich verbunden ist, man gespannt sein darf.Am Sonntag bieten die Festwochen nochmals offene Formen: Um 19 Uhr 30 bringt der RIAS-Kammerchor im Kammermusiksaal der Philharmonie die Berliner Fassung von Otto M.Zykans "Bilder einer Ausstellung" zur Uraufführung.Das "Kompendium uneigennütziger Ideen und Beobachtungen für Chor, Sprecher, Streichquartett und Schlagzeug" verspricht ein dadaistisches Spektakel zu werden, während Kornelia Brandkamp sich in ihrem Flötenprogramm ab 22 Uhr 30 am gleichen Tag in der St.Matthäuskirche strukturalistischer Musik der 50er Jahre widmet.Roman Haubenstock-Ramatis "Interpolation" gehört wie die "Cadenza da Dimensioni III" von Bruno Maderna zu den frühen Werken für Live-Instrument und Tonband, dazu kommen Werke von Evangelisti, Boulez und Berio.Offene Formen des Konzertes selbst präsentiert schließlich die Kryptonale bis Sonntag jeweils um 21 Uhr im Wasserspeicher in der Kolmarer Straße.Der gewaltige Rundbau mit seiner langen Nachhallzeit ist prädestiniert für Raummusiken und Improvisationen (neue Werke von Georg Katzer und Henry Mex am heutigen Abend, von Johannes Wallmann am Sonntag).Am Samstag spielt das ausgezeichnete Pellegrini-Quartett Klassiker von Xenakis und Scelsi, sowie zusammen mit Ib Hausmann Feldmans "Clarinet and String Quartet".

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