zum Hauptinhalt

Kultur: Vor - Sotto voce

Heute geht die Musik-Biennale in ihr zweites Wochenende und die Veranstalter taten gut daran, wesentliche Höhepunkte für die letzten Tage aufzusparen.Denn selbst bei überzeugten Verfechtern der Neuen Musik zeigen sich nach dem Konzertmarathon der vergangenen Woche wenn schon nicht Ermüdungs-, so doch Erschöpfungserscheinungen.

Heute geht die Musik-Biennale in ihr zweites Wochenende und die Veranstalter taten gut daran, wesentliche Höhepunkte für die letzten Tage aufzusparen.Denn selbst bei überzeugten Verfechtern der Neuen Musik zeigen sich nach dem Konzertmarathon der vergangenen Woche wenn schon nicht Ermüdungs-, so doch Erschöpfungserscheinungen.Schlüsselwerke der achtziger Jahre von beiden Seiten der Mauer waren bereits durch den Filter der Geschichte gegangen, ehe sie vor neugierigem und stets zahlreichem Publikum zu Gehör kamen, während die Uraufführungen sich erst noch werden beweisen müssen.Vielfach wird es ihnen nicht gelingen, denn oft wagten hier die Veranstalter mit ihrer Auftragsvergabe mehr als die Komponisten selbst.Ästhetische Radikalität blieb die Ausnahme, marktgerechter Konservatismus leider nicht.

Letzteren braucht man bei Volker Staubs "Vianden" am Sonnabend um 16 Uhr im Hamburger Bahnhof nicht zu fürchten.Flöte (Eberhard Blum) und Posaune (Michael Svoboda) werden in dem einstündigen Stück der archaischen Klangwelt von drei Baumstämmen, Vogelstimmem und Stahlsaiten, denen Ölfässer als Resonatoren dienen, gegenübergestellt.Hier sind ähnlich diffizile Klanggestalten aus mikrotonalen Verläufen und ungewöhnlichen Mehrklängen zu erwarten wie in Stefan Streichs "Sextett für drei Holzbläser und drei Streicher", das das ensemble recherche am Sonntag um 11 Uhr im Kleinen Saal des Konzerthauses zur Uraufführung bringt.Bis zu fünfzig Sekunden lange Generalpausen öffnen diese ohnehin leise Musik hin zur Stille, und auch die flächige Gestaltung der antipodisch gesetzten Instrumentengruppen trägt nicht dazu bei, den Hörer mit der musikalischen Oberfläche zu fesseln.Streich vertritt einen gemäßigten materialen Minimalismus, der seinen Zauber aus der ruhigen, scheinbar ziellosen Folge genau ausgehörter Liegeklänge speist.Eine Matinee für Freunde der stillen Konzentration.

Mit Lärm hingegen beschäftigt sich Peter Ablinger in seinem "Selbstportrait mit Berlin - Quadraturen IV", das er für das am Sonnabend um 19 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie musizierende Klangforum Wien schrieb.Der Komponist sucht nach einem klingenden Äquivalent zur photorealistischen Malerei, die mit Farbe und Leinwand ein alltägliches Bild fixiert und der ästhetischen Betrachtung zuführt.Dergleichen ist mit Tonaufnahmen nicht so einfach möglich, einer CD mit Autogeräuschen wird kein Kunstcharakter zugestanden.Ablinger rastert nun Aufnahmen von Umweltgeräuschen wie ein Zeitungsphoto und läßt die so gewonnenen Klangpunkte von einem Kammerensemble spielen, während das Kontinuum der Berliner Stadtgeräusche aus den Lautsprechern dringen.In starrem Puls folgen die instrumentierten Analysedaten aufeinander und reiben sich mit den Ausgangsklängen, aus denen sie abgeleitet sind.

Wie widersprüchlich sich die Neue Musik in den achtziger Jahren entwickelte, zeigt das heutige Konzert des DSO unter Gerd Albrecht mit Ernst Senff Chor, Solistenchor Freiburg und dem Expertimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung um 19 Uhr in der Philharmonie.Hans Werner Henze zollte 1984 mit seiner 7.Sinfonie der tradierten Gattung wie den Berliner Philharmonikern zu ihren hundertjährigen Bestehen Tribut, während Luigi Nono drei Jahre später in "Caminantes...Ayacucho" ein sensibel suchendes Raumstück schuf, das in jeder seiner knappen Klanggesten sich selbst und das Komponieren überhaupt in Frage zu stellen scheint.Weiter können die Positionen Neuer Musik kaum auseinander liegen.

Zur Startseite