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Kultur: Vorfluter

Kirill Petrenko debütiert bei der Staatskapelle Berlin.

Ein tiefernster, leidenschaftlicher und sehnsüchtiger Grundton solle sich durch seine „Lyrische Sinfonie“ ziehen, forderte Alexander von Zemlinsky 1924. Die sieben Gesänge nach Versen von Tagore dürften nicht spielerisch flüchtig und keinesfalls als weichliches, schmachtendes Liebeslied erklingen. Diese Vorgaben zeichnen ein verblüffend scharfes Porträt des Dirigenten Kirill Petrenko. Der wünschte sich für sein Debüt bei der Staatskapelle Berlin Zemlinskys Lied-Sinfonie und Rimski-Korsakows Sinfonische Suite „Scheherazade“ auf die Pulte. Ein Programm voller funkelnder Orchestereffekte und geläuterter Leidenschaften, ein Abend für einen sehnigen Klangarchitekten fern jeder kitschigen Ader. Eine Bühne für Petrenko.

Trotzdem gestaltete sich alles mühsam in der Philharmonie, und je mühsamer es wurde, desto mehr lächelte der Dirigent und begann selbst das noch gestisch anzuzeigen, was ein Grundeinverständnis mit dem Orchester hätte sein müssen. Die Kraftübertragung hin zum Kollektiv schien außer Dienst zu sein. Vielleicht hatte Petrenko zu viel gewollt, den Klang zu stark kontrolliert, bevor die Staatskapelle ihre Stärken ausspielen konnte. Eine heiß-kalte Orchesterflut, die mit sich die Singstimmen sanft emporhebt, stellte sich bei Zemlinskys „Lyrischer Sinfonie“ partout nicht ein. Maria Bengtsson und Bo Skovhus bekamen zu spüren, welche Mehrbelastung das für Sopran und Bariton bedeutet.

Auch Rimski-Korsakows „Scheherazade“ mangelte es an Wasser unterm Bug, an der gemeinsamen Freude beim Spinnen von Seemannsgarn. Der Kapitän ruderte, die Mannschaft schwamm selbstzufrieden nebenher. So fehlte diesem mit Spannung erwarteten Debüt, was Petrenko-Auftritten sonst niemals abgeht: die Dringlichkeit. Ulrich Amling

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