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Kultur: Vorsicht, Sprengung!

Anleitung zum Anschlag: die Moskauer Konzeptkünstlerin Sasha Auerbakh bei Matthew Bown

Eine Bombe zu bauen, ist einfach. Man nehme eine Konservenbüchse, einen Wecker, Klebeband, Alufolie und Ammoniumnitrat aus dem Gartenbedarf. Das Rezept steht im Widerstands-Ratgeber „Anarchist’s Cookbook“, erhältlich in jeder Buchhandlung und im Internet. Wer eine Videoanleitung braucht, findet sie in der Galerie Matthew Bown beim ersten Deutschlandauftritt von Sasha Auerbakh.

In ihrer Installation „Manual“ laufen auf drei Flachbildschirmen nebeneinander die Arbeitsschritte ab. Wie in einer Kochshow ist die Kamera auf die Arbeitsplatte gerichtet, wo anonyme Hände das Pulver mischen, den Wecker präparieren und die Büchse stopfen. Faszination geht von der schlichten Performance aus (3000 €, Ed. v. 5). Es wäre angenehmer, käme am Ende ein Knall. Beunruhigender als sichtbare Detonationen sind doch die Sprengsätze, die sich gerade überall in Vorbereitung befinden könnten.

Bomben und Kunstwerke haben manches gemeinsam. Ihre größte Wirkung entfalten sie in der Vorstellungskraft. Als Auerbakhs Ausstellung eröffnete, lag das Bedrohungspotenzial möglicher Anschläge in der Luft. Die Bombe als Denkmodell verändert die symbolische Ordnung und schärft die Aufmerksamkeit. Noch das nebensächlichste Detail wird mit Bedeutung aufgeladen, wie in einer Ausstellung. Doch gewöhnlich agiert die Kunst im Als-ob. Auerbakhs Gebrauch des Kunstrahmens entschärft die Geste – und schützt sie gerade dadurch. Ihre Bombe steht jetzt real im Depot eines Moskauer Sammlers. Dort gewinnt die Arbeit nach den Anschlägen vom letzten März noch größere Brisanz.

Gerade erst schließt Sasha Auerbakh ihr Fotografiestudium in Moskau ab, jetzt will sie noch in Wien bei Monica Bonvicini studieren. Doch auf die 25-Jährige laufen schon hohe Wetten. Für September plant die renommierte Regina Gallery eine Soloschau mit ihr parallel zur Moskau Biennale. Auerbakh gehört zur jungen Szene, die an die Traditionen des Moskauer Konzeptualismus anknüpft. Durch Verweigerung spezifischer Stile und Techniken interveniert sie wie eine Guerillaaktivistin in bestehende Rahmen. Mit ihrem pragmatisch-rotzigen Ansatz legt sie das Repräsentationssystem Kunstraum offen.

Die drei weißen Würfel der Arbeit „Objects of Art“ muten wie minimalistische Skulpturen an. Von der Decke hängende Glühbirnen erklären sie zu Sockeln, doch in den Lichtkegeln präsentieren sich nur viereckige Aussparungen im weißen Lack (4000 €). Auerbakh bedient sich klassischer Strategien der Bedeutungsproduktion und bringt sie zum Kippen. Rahmen und Werk geraten ins Wanken. Der ästhetische Schutzraum ist aufgeladen mit unmittelbarer Dringlichkeit. Kolja Reichert

Galerie Matthew Bown, Keithstr. 10, bis 15. 1.; Di-Sa 12-18 Uhr.

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