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Wacken 2010: Die Heavy-Metal Party beginnt

Am Donnerstag startet im Schleswig-Holsteinischen Wacken das 21. "Wacken Open Air Festival". Es gilt als das größte Heavy-Metal-Fest der Welt. 75 000 Besucher werden erwartet, mehr als 100 Bands treten auf.

Von Maris Hubschmid

Es gibt wohl keinen zweiten Ort, an dem Heavy-Metal-Fans zu Blasmusik Polonaise tanzen. Vom Wackener Open Air Festival jedoch, kurz "WOA" genannt, ist dieser Programmpunkt nicht mehr wegzudenken. Zum mittlerweile elften Mal läutete die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr am Mittwochabend das Konzertmarathon in dem Schleswig-Holsteinischen 1800-Seelen-Dorf ein - wie immer vor dem offiziellen Beginn.

Wacken, das ist längst eine Marke, mehr noch, ein Gütesiegel: Wer in Wacken auftritt, hat es geschafft. Mehr als 100 Bands sind es diesmal, die Heavy-Metal-Stars von morgen werden in Wacken geboren, Newcomer stehen dort neben Größen wie den "Scorpions" auf der Bühne. Was vor zwanzig Jahren mit gerade Mal 800 Besuchern seinen Anfang nahm, hat sich zu einem der populärsten deutschen Musik-Events entwickelt. Den Angaben der Organisatoren zufolge ist das "WOA" das größte Heavy-Metal-Festival überhaupt. Und die Besucherzahlen steigen stetig: Rund 65 000 Karten haben die Veranstalter 2009 verkauft, stolze 75 000 waren es 2010 - wegen des enormen Andrangs wurden sie in diesem Jahr ausschließlich vorab verkauft.

Traditioneller Termin für die Metal-Party ist seit jeher das erste Wochenende im August. Szene-Begeisterte aus aller Welt reisen schon Tage vorher mit eigens angemieteten Bussen an, viele der Gäste kommen aus Skandinavien, Schweden vornehmlich, und Österreich. Seit 2002 gibt es den Sonderzug "Metal Train", der in Zürich startet und auf seinem Weg in den Norden in zahlreichen Städten Halt macht. In den Wagons des "Metal Train" dröhnt Heavy Metal ohne Unterlass. Man müsse das einfach erlebt haben, sagt der 19-Jährige Till Scheimann, der mit einer 14-köpfigen Gruppe bereits am Dienstagabend auf dem Festgelände eingetroffen ist. Die meisten haben ihre Zelte längst aufgebaut, campiert wird auf dem Feld. Der Großteil seines Freundeskreises habe schon im letzten Jahr mitgefeiert, erzählt der Abiturient, und eine fantastische Zeit gehabt. "Wir waren so begeistert, dass wir uns gleich um Karten für das nächste Mal gekümmert haben". Um sich angemessen auf das Wochenende vorzubereiten, seien sie vorher nach Holland gefahren und hätten sich dort mit Bier eingedeckt. Auch Grillfleisch haben die jungen Leute im Gepäck, das halte zwar nicht lange, habe ihnen aber zumindest das Warten auf den Eröffnungstusch versüßt. Für die restlichen Tage stehen echte Festival-Klassiker auf der Speisekarte: Tütensuppe und Dosenravioli.

Besonderes Highlight für Scheimann und seine Clique ist in diesem Jahr der Auftritt von Heavy-Metal-Mutter "Iron Maiden": Die britische Band war bereits 2008 dabei, mindestens fünf Stunden vor Konzertbeginn wollen Scheimann und seine Freunde sich ihre Plätze vor der Bühne sichern. Ihren Auftritt haben Iron Maiden gleich am Donnerstag, der erste Festivaltag nämlich steht unter dem Motto "Night to remember" und ist in erster Linie den klassischen Hard Rock Bands zugedacht. Auch Alice Cooper oder die Berliner Band "The Boss Hoss" sind in der diesjährigen "Night to remember" mit dabei.

Für die Wackener ist das Festival das Ereignis des Jahres. Es gibt kaum einen Anwohner, der nicht irgendwie daran beteiligt wäre. Ganz nach ihrem Geschmack sei das nicht, sagt eine 62-Jährige, aber Freude habe sie trotzdem daran, das Treiben zu beobachten. Fast jede Familie im Ort ist im Musikzug der Feuerwehr vertreten. Gerade zwölf Jahre alt sind die jüngsten Mitglieder, nirgendwo ist der Nachwuchs vermutlich so heiß auf einen Platz in der örtlichen Feuerwehrkapelle wie hier. Weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus ist das Blasorchester inzwischen bekannt: "Bei Auswärts-Auftritten werden wir häufig gefragt, ob wir die Firefighters sind", sagt Frontmann Volker-Vetter, 70 Jahre alt. Die Idee, die Konzerttage mit "Rosamunde" und "Viva Colonia" zu eröffnen, kommt von ihm. Im Jahr 2000 hat man auf dem Festival-Gelände einen Paulaner-Biergarten eingerichtet. Ohne Marschmusik sei das doch nix, befand Vettel damals, gewann erst seine Kegelbrüder für das Vorhaben und später die Besucher.

Dass die Ortsschilder ein beliebtes Souvenir sind, schmeichelt den Wackenern mehr, als dass es sie ärgert. "Wir haben bereits vorsorglich neue Schilder bestellt", äußerte sich eine städtische Mitarbeiterin gegenüber dem Tagesspiegel, die nicht namentlich genannt werden will. Die örtlichen Bäckereien und Supermärkte werden ausnahmsweise auch am Sonntag öffnen. "Ganz Wacken ist auf den Beinen", sagt eine Backshop-Verkäuferin.

Erstmalig in Deutschland zu sehen sein wird die brasilianische Death-Metal-Band "Cangaço". Die drei Jungs sind Gewinner des "Metal Battle Brazil" und ließen im Vorfeld des "WOA" verlauten, wie überaus glücklich sie sich schätzten, auf der Bühne in Wacken dabei sein zu dürfen. Vorfreudige Wackenpilgerer können sich das neue Album der Band, "Parabelo" bereits jetzt im Netz herunterladen - daheim Gebliebene natürlich auch.

Wer der Massenveranstaltung nach der Katastrophe von Duisburg voller Unbehagen entgegen sieht, für den hat Sicherheitsleiter Thomas Hess beruhigende Worte: "Das Gelände ist nach allen Seiten offen", versichert er, und obwohl die Veranstaltungen in keiner Weise vergleichbar seien, habe man das Sicherheitskonzept für Wacken nochmals gründlich überprüft. Ruhig schlafen werden die Wackener allerdings aus anderen Gründen nicht: Bis zu vier der sechs Bühnen werden zeitgleich bespielt - und das diesjährige Motto lautet "Louder than Hell".

"Parabelo" kann kostenlos heruntergeladen werden unter: www.4shared.com

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