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Ein Journalist, der sich nicht als fanatischer Waffengegner versteht, hat ein Buch über die deutsche Beteiligung am globalen Markt für Kriegsgerät geschrieben.

© dpa

Waffenhandel: Markt ohne Moral

Von Waffenmessen ins Kriegsgebiet: Hauke Friederichs geht der deutschen Beteiligung am globalen Waffenhandel nach. Herausgekommen ist eine erschütternde Bestandsaufnahme und ein Buch über Markt, Moral und die Verantwortung der Bundesrepublik.

Von Michael Schmidt

Mit Waffen werden Jahr für Jahr Milliarden umgesetzt. Das Geschäft mit dem Tod floriert. Und die Nachfrage nach Kriegsgerät, das in Deutschland hergestellt wird, wächst und wächst. Panzer für Saudi-Arabien? U-Boote für Israel? Eurofighter für Indien? Seit vielen Jahren ist Deutschland nach den Vereinigten Staaten und Russland die Nummer drei im weltweiten Rüstungsgeschäft. Geliefert wird, dieser Eindruck setzt sich nach und nach fest, an fast jeden, der zahlen kann. Allen politischen Grundsätzen zum Trotz, die zum Beispiel Waffenexporte in Krisenregionen untersagen.

Was meint eigentlich Helmut Schmidt dazu? Fragen wir den Altkanzler doch, mag sich Hauke Friederichs gedacht haben und hat ihn um seine Meinung gebeten. „Ich hätte das nicht getan“, sagt Schmidt im Interview, das der Buchautor im Mai 2012 geführt hat und das nun der Analyse Friedrichs als eine Art Vorwort dient. Schmidt hält die Abkehr von der restriktiven deutschen Waffenexportpolitik unter Kanzlerin Angela Merkel für einen Fehler. In der Genehmigung einer Voranfrage für die Lieferung von 270 Leopard-2-Panzern nach Saudi-Arabien erkennt er den „Bruch eines alten Tabus“. Der SPD-Politiker, der auch lange Verteidigungsminister war, berichtet über ähnliche Interessen Saudi-Arabiens schon in den 70er Jahren: „Wir hatten damals einen Grundsatz, der bei Entscheidungen im Bundessicherheitsrat galt. Er hieß: Keine Waffen und Kriegsgeräte zu liefern an andere Mächte, sondern nur an unsere Bündnisgenossen. Nach diesem Grundsatz haben wir uns damals gerichtet.“ Er hätte im Übrigen, sagt Schmidt, „auch nie dem Export von Unterseebooten nach Israel zugestimmt, die in Wirklichkeit dafür bestimmt sind, umgebaut zu werden als Träger für nukleare Waffen“.

Wie ein Kommentar zur aktuellen Diskussion über Genehmigungspflichten und Geheimhaltungspraktiken liest sich des Altkanzlers Kritik am klandestinen Entscheidungsprozess über Rüstungsexporte: „Ich finde das nicht vernünftig. Ich bin für Transparenz in solchen Dingen. Die Tatsache, dass der Bundessicherheitsrat eine Anfrage abgelehnt hat, die muss nicht veröffentlicht werden. Aber die Exportanträge, die er genehmigt hat, die bedürfen der Veröffentlichung.“

Ein Journalist will Licht ins Dunkel bringen.

Der Journalist Friederichs hat es sich zur Aufgabe gemacht, Licht ins Dunkel des deutschen Anteils am globalen Waffenhandel zu bringen. Friederichs will den militärisch-industriellen Komplex in Deutschland analytisch durchdringen und die Rolle der Politik und des Staates nachvollziehbar machen. Er hat sich auf die Spur deutscher Ausfuhren begeben. Mit dem Leser an der Hand besucht er weltweit Waffenmessen, bereist die Kriegsgebiete der Gegenwart, stellt Hersteller und Käufer vor und zeichnet Deals nach, deren Protagonisten lieber im Verborgenen wirken.

Das Bild, das sich aus der Vielzahl der Puzzleteile ergibt, ist erschütternd. Dabei ist Friederichs kein antimilitaristischer Fanatiker und Waffenhasser. Er hat, schreibt er in der Einleitung, bei Recherchereisen in Afghanistan „durchaus zu schätzen gelernt, dass die Bundeswehr über Fahrzeuge verfügt, in denen die Insassen vor Explosionen geschützt sind“. Dennoch bleibt nach der Lektüre ein verstörender Eindruck zurück: Man ist überwältigt von der Macht der Erkenntnis, mit welch geradezu systemisch bedingter Skrupellosigkeit das Geschäft mit den Waffen, tunlichst unter Ausschluss der Öffentlichkeit, funktioniert. Ein Geschäft ohne Gewissen, ein Markt ohne Moral.

„Den Waffenschmieden aus Kiel, Düsseldorf, München oder Stuttgart ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, still und heimlich ihre Ausfuhren auszuweiten“, schreibt Friederichs in seinem solide recherchierten, anschaulich geschriebenen 236-Seiten-Buch, das ebenso sachlich wie engagiert daherkommt. „Die Waffenhersteller wissen, dass auch sie in der Öffentlichkeit verantwortlich gemacht werden können, wenn mexikanische Soldaten mit deutschen Gewehren unbewaffnete Studenten erschießen … Auch deswegen sprechen die Waffenschmieden ungern über Rüstungsexporte und so gut wie nie über den Einsatz ihrer Waffen im Krieg, bei der Niederschlagung von Aufständen oder gar bei Völkermorden“, stellt Friederichs fest und fügt hinzu: „Auch die Bundesregierung, die jeden Rüstungsexport ins Ausland genehmigen muss, schweigt meist strikt zu diesem Thema.“

Anspruch und Wirklichkeit: Von wegen keine Waffen für Spannungsgebiete!

Dabei gehen mehr als 70 Prozent der in Deutschland produzierten Rüstungsgüter ins Ausland. Die Bundesregierung behauptet zwar nach wie vor, dass deutsche Waffen nicht in Spannungsgebiete geliefert würden und dass die Menschenrechte ein wichtiges Kriterium bei der Genehmigung seien. Ein Blick in die Liste von Empfängern deutschen Kriegsgeräts zeige aber, „dass beides nicht stimmt: Pakistan, Irak, Saudi-Arabien, Südkorea, Bahrain und zahlreiche andere Länder, die in Spannungsgebieten liegen oder in denen Despoten sich mit brutalen Methoden an die Macht klammern, gehören zu den Kunden der deutschen Rüstungsindustrie“. Allein im Jahr 2010 hat die Bundesregierung insgesamt 16 145 Einzelanträge für die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von insgesamt 4,75 Milliarden Euro genehmigt.

Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen? Auf deutschem Boden produziertes Kriegsgerät, so viel wird deutlich, ist in den meisten Konflikten dieser Welt im Einsatz – nicht selten sogar auf beiden Seiten.

Hauke Friederichs: Bombengeschäfte. Tod made in Germany. Residenz Verlag, St. Pölten 2012. 240 Seiten. 21,90 Euro.

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