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© dpa

Wagners Urenkelinnen: Kuscheln und keifen

Katharina, Eva, Nike: Wer wird Chefin in Bayreuth? Der Nachfolgestreit eskaliert. Doch Christian Thielemann ist optimistisch.

Im Streit um die künftige Leitung der Bayreuther Festspiele meldet sich der Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, zu Wort. „Ich spüre so etwas wie Entspannung in meinem kleinen Finger“, erklärte er gegenüber dem Tagesspiegel. Gemeinsam mit dem Intendanten und Komponisten Peter Ruzicka gehört Thielemann zur task force um Katharina Wagner. Bei der Nachfolgebewerbung könnte diese nun durch Eva Wagner-Pasquier verstärkt werden, die Tochter des amtierenden Festspielleiters Wolfgang Wagner aus erster Ehe.

Seit 2001 wird Eva vom Stiftungsrat vergeblich als Nachfolgerin ihres Vaters favorisiert. Nun ist seit dem Wochenende bekannt, dass der „Alte“ einlenkt und Zustimmung zu einer Lösung mit Katharina und Eva avisiert; wie berichtet, hat der Stiftungsrat um eine entsprechende Bewerbung der Halbschwestern gebeten. Denn der 88-Jährige ist darauf angewiesen, dass die Geldgeber den gestiegenen Finanzbedarf der Festspiele in gewohnter Manier ausgleichen (sie hatten das Gegenteil angedroht). Zugleich wächst für den Patriarchen das Risiko, die Zukunft nicht mehr aktiv mitgestalten zu können, zumal nach dem Tod seiner Frau Gudrun, der „heimlichen Chefin“, im letzten November. Eva Wagner-Pasquier käme also doppelt gelegen: Kommt sie mit ins Team, wahrt die Kulturpolitik das Gesicht – und ihre 29-jährige Halbschwester Katharina, Wolfgangs Favoritin, die im Stiftungsrat weniger Ansehen genießt, hält offiziell Einzug ins Festspielhaus.

Dass Katharinas Truppe eine ehedem ungeliebte Verwandte für die eigenen Zwecke ausnutzen könnte, bestreitet Christian Thielemann. „Was liegt denn näher, wenn man am dynastischen Prinzip für Bayreuth festhalten will, als diese Lösung? Man könnte höchstens den Vorwurf erheben, dass sie nicht schon viel früher darauf gekommen sind. Beide, Eva und Katharina, sind Wolfgangs Töchter. Es mag sein, dass die Zeitläufe den einen oder anderen Keil in ihr Verhältnis getrieben haben. Aber inhaltlich sind die Schwestern gar nicht so verschieden.“

Erst kürzlich hatte Theatermanagerin Eva sich mit Cousine Nike Wagner um die Leitung beworben. Wie aber lässt sich mit jemandem arbeiten, der sich vom Stiftungsrat womöglich zum Vertragsbruch anstiften lässt? Peter Raue, Anwalt von Eva Wagner-Pasquier, bestätigte gegenüber dem Tagesspiegel den juristischen Sachverhalt: Sollte die Anfrage zur Bewerbung an Eva und Katharina ergangen sein, ohne dass der Stiftungsrat das Konzept von Nike und Eva geprüft und verworfen hat, handelt es sich „tatsächlich um eine Aufforderung“ zum Vertragsbruch. Dazu Thielemann: „Mit Eva müssen wir erst einmal reden. Mich zum Beispiel würde interessieren, nach welchen Kriterien die Sängerbesetzung für den ,Ring’ der Berliner Philharmoniker in Aix-en-Provence zustande kam, für die sie ja verantwortlich ist. Da wecken einige Stimmen, sagen wir, Diskussionsbedarf.“

Die „Viererbande“ – soviel ergibt sich aus Evas dürftigem Entwurf von 2001 wie aus dem, was man bislang über das Katharina/Thielemann/Ruzicka-Papier weiß – steht für Kontinuität. Und wie viel Neuanfang wird gewagt? „Zunächst muss dieses unwürdige Gezerre ein Ende finden. Es geht auch um eine Lebensleistung, und es ist unerträglich, wie man in den letzten Jahren meinte, über Wolfgang Wagner herfallen zu können“, sagt Thielemann. „Man wird das Rad nicht neu erfinden, gerade nicht in Bayreuth. Insofern handelt es sich um die Quadratur des Kreises.“

Wie geht es weiter im Clinch der Urenkelinnen Katharina, Eva und Nike? Schon jetzt haftet auch der jüngsten Lösungsvariante etwas heillos Vertracktes an. Weil die Eva/Nike-Bewerbung zwar von beiden unterzeichnet ist, nicht aber deren Konzept: Ob das Fehlen von Evas Unterschrift dessen Gültigkeit schmälert, mögen Juristen entscheiden. Weil Eva Wagner-Pasquier zur Frage, ob sie nun gegen sich selbst antritt, schweigt. Weil Katharina das Halbschwesternglück entdeckt und öffentlich um Eva buhlt, während ihr die Existenz eines Nike-/Eva-Papiers „nicht bekannt“ ist. Weil die Weimarer Kunstfest-Leiterin Nike ebenso öffentlich Eva nicht nur möglichen Vertragsbruch vorwirft, sondern weitere scharfe Attacken fährt. „Es ist wie in den Scheindemokratien à la Russland und China: Die Entscheidung liegt schon fest, weil sie politisch bequem ist“, sagte sie der „FAZ“.

Man keift und kuschelt, agitiert und dementiert, und womöglich ist alles diplomatische Fingerspitzen-Taktieren erneut für die Katz. Während Bayerns Kunstminister Thomas Goppel den Halbschwestern „leises Lob“ ausspricht, dämpfte der Stiftungsrat am Montag die Erwartungen. In der mit Spannung erwarteten Sitzung am 29. April, so der Vorsitzende Toni Schmid, werde man (noch) nicht über die künftige Festspielleitung entscheiden.

Mal sehen, wie viele Bewerbungen dem 24-köpfigen Gremium dann vorliegen, dem unter anderem je fünf Vertreter von Bund und Land, drei Vertreter von Bayreuth und vier Familienmitglieder angehören. Fest steht: Loslegen kann der Stiftungsrat erst, wenn Wolfgang Wagner den „Nachfolgefall“ für gegeben erklärt. Noch hat der „Alte“ das nicht getan.

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