zum Hauptinhalt

Kultur: Wahlen in Hamburg: Grün ist alle Theorie. Wie der kleine Partner der SPD versucht, ruhig zu bleiben

Wenn Politiker sich gegenseitig ins Wort fallen, bedeutet das meist eine Kampfansage. Doch als Peter Struck am Sonntagabend in Maybritt Illners Talkshow "Berlin Mitte" Renate Künast unterbrach, ging es ihm darum, die Grünen-Politikerin und damit vielleicht die Koalition vor Schaden zu bewahren.

Von Hans Monath

Wenn Politiker sich gegenseitig ins Wort fallen, bedeutet das meist eine Kampfansage. Doch als Peter Struck am Sonntagabend in Maybritt Illners Talkshow "Berlin Mitte" Renate Künast unterbrach, ging es ihm darum, die Grünen-Politikerin und damit vielleicht die Koalition vor Schaden zu bewahren. Gerade hatte die Verbraucherministerin mit Emphase die These aufgestellt, der Bundestag werde "düpiert", wenn er erst im Nachhinein über einen militärischen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung entscheiden dürfe, da drängte es den SPD-Fraktionschef zur Klarstellung: Das Verfassungsgericht habe ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, im Notfall auch erst Militär zu entsenden und danach zu entscheiden.

Sichtlich nervös hatten die Grünen das Wochenende über Militäreinsätze diskutiert - und der Schock der Hamburger Ergebnisse am Sonntagabend trug auch nicht eben dazu bei, die düstere Stimmung aufzuhellen. Schließlich geht es nicht nur um Hamburg, sondern um die strategische Allianz in Berlin - um die Zukunft der rot-grünen Bundesregierung.

Also wurde am Tag nach der "herben Niederlage", wie es die Hamburger Spitzenkandidatin Krista Sager ausdrückte, über Ursachen geredet, Schadensbegrenzung betrieben, für Gelassenheit plädiert. Krista Sager sprach indirekt an, was zurzeit vor allem die Grünen-Verantwortlichen in Berlin umtreibt. Es ist kein ausgewiesenes Grünen-Thema, aber es hat den Wahlkampf in Hamburg entschieden: Sicherheit. Die Menschen verlangen danach, doch den Grünen trauen nur wenige diese politische Leistung zu. Das weiß auch der Parteichef, und so klang die Beteuerung von Fritz Kuhn am Montag nicht sehr offensiv: Seine Partei sei durchaus für mehr Sicherheit und werde alle Vorschläge prüfen, solange Deutschland ein liberaler Rechtsstaat bleibe.

Nur nicht zu viel Ablehnung

Und was lehrt die Hamburg-Wahl die Grünen? Sie wollen - einmal mehr - die eigenen Erfolge künftig stärker herausarbeiten. Eine schöne Aufgabe - doch zunächst muss die Grünen-Spitze dafür sorgen, dass nicht zu viele aus den eigenen Reihen die Regierungsarbeit torpedieren, indem sie die vom Parlament zugesagte deutsche Militärhilfe rundweg ablehnen. Die Wortmeldungen von Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Peter Struck, die beide über den Ernstfall sprachen, in dem das Parlament erst im Nachhinein befasst werden könnte, hatten viele als Kampfansage gewertet: "Der Scharping hat so viel Öl ins Wasser gekippt, wie nur möglich ist." Mit knapper Mehrheit hatte der NRW-Parteirat gegen jeden Militäreinsatz gestimmt - ein Votum, für das Ministerin Bärbel Höhn am Montag Scharping eine Mitschuld gab. Dem Parteirat gelang es zumindest, wieder Einigkeit und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren: Herzlich wurde Krista Sager empfangen, keiner in dem Gremium wollte sie für die Niederlage verantwortlich machen. Aber auch die SPD-Thesen zum Parlamentsvorbehalt spielten wieder eine Rolle.

Einmütige Unterstützung für Fischer

Wichtige Grünen-Politiker hatten am Wochenende die Verfassungsgerichtsentscheidung so ausgelegt, wonach die Zustimmung des Bundestags in jedem Fall vor einer Mission erfolgen müsse - und die eigene Partei damit in eine Zwickmühle gebracht. Denn das Karlsruher Urteil deckt im Ausnahmefall durchaus die von der Logik militärischer Geheimhaltung diktierte nachträgliche Einschaltung des Bundestags.

Glaubt man Teilnehmern, war die Unterstützung für Joschka Fischer im Parteirat am Montag einmütig: Er plädierte dafür, durch eine geschlossene Haltung den Spielraum für Forderungen der Grünen in der Bundesregierung und für deutsche Forderungen an die USA zu sichern. Solange Schröder Zweifel habe, dass die Grünen die Solidaritätszusagen an die USA erfüllen wollten, werde es schwierig. Geschlossen müsse die Bundestagsfraktion deshalb den Kurs der Regierung mittragen.

Parteichef Kuhn bemühte sich nach der Sitzung, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Grünen zu zerstreuen: Die Regierung Schröder-Fischer stehe fest, seine Partei sei handlungsfähig. Ziele grüner Außenpolitik seien Deeskalation, politische Lösungen, Bekämpfung des Terrorismus. Da das Thema die Grünen so stark umtreibt, wird nun der Parteitag im November umgewidmet, auf dem es um das neue Grundsatzprogramm gehen sollte. Nun heißen die Themen: Globalisierung und Terrorismus.

Fritz Kuhn vermied am Montag eine klare Antwort auf die Frage, ob seine Partei im Ernstfall auf einer vorherigen Abstimmung im Bundestag bestehen wolle. Er bestand nur auf einer "relevanten Entscheidung" des Parlaments. Die von Strategen beider Partner auch in der Krise gern gelobte enge Zusammenarbeit von SPD und Grünen scheint jedenfalls in der Mandatsfrage nicht zu funktionieren: Ob Struck und Scharping auf eigene Rechnung handelten, als das Thema aufkam, schienen die Grünen am Montag nicht zu wissen. Kuhn kündigte an: "Wir werden mit Herrn Scharping sprechen."

Zur Startseite