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Kultur: Wahlen in Serbien: Der Mann mit den zwei Gesichtern

Ein richtiger Sieger feiert mit Champagner. Belgrads Zeitungen zeigen Zoran Djindjic am Tag nach der Wahlnacht in bester Stimmung und mit der sprudelnden Flasche in der Hand.

Ein richtiger Sieger feiert mit Champagner. Belgrads Zeitungen zeigen Zoran Djindjic am Tag nach der Wahlnacht in bester Stimmung und mit der sprudelnden Flasche in der Hand. Kein Wunder, der Chef der Demokratischen Partei (DS) ist am Ziel seiner Träume. Zoran Djindjic ist designierter Premier der siegreichen Demokratischen Opposition Serbiens (DOS). Zehn Jahre lang hat sich der wendige Oppositionsführer auf der Bühne des Autokraten Milosevic abgemüht. Jetzt ist Djindjic dabei, zur neuen Nummer eins aufzusteigen.

Vor allem im deutschsprachigen Ausland ist er der Medienstar. Er spricht perfekt deutsch. Das ist dem Schüler von Habermas aus den langen Studienjahren in Deutschland geblieben. Er ist ein Experte, wenn es darum geht, unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen. Mit seiner Eloquenz ist es dem 47jährigen Zoran Djindjic gelungen, sich als das europäische, demokratische Gesicht Serbiens zu präsentieren.

Opportunist aus Überzeugung

In Serbien hat man ihn, den Star dieses zweiten Teils der Belgrader Wende, schon immer anders gesehen. Es ist nicht gerade Verehrung, die dem Demokratenchef entgegen schwappen. Die Beziehung zwischen Zoran Djindjic und seinem heimischen Publikum ist schon eher durch Misstrauen geprägt. Mindestens zweimal hat der Demokratenchef während der letzten zehn Jahre im Geheimen und hinter dem Rücken der übrigen Opposition im Weißen Palast mit dem Autokraten Slobodan Milosevic verhandelt. Einmal brach deshalb eine Koalition der Milosevic-Gegner auseinander. Beide Male ging es um einen Anteil am Kuchen der Macht. Zoran Djindjic sei ein Opportunist aus Überzeugung, sagen seine Kritiker.

Mit Kritikern zeigt der Parteiführer mit Hang zu autoritären Entscheidungen keine Nachsicht. Wer innerhalb der Partei gegen ihn aufmuckt, den trifft schnell ein mal den Bannstrahl beziehungsweise das Ausschlussverfahren. Djindjic ist der Prototyp des Politikers, dessen Pragmatismus keine Grenzen kennt. Ohne "eine Spur Nationalismus" könne man in Serbien keine Stimmen gewinnen, wies Djindjic Kritik stehts zurück. Als Milosevic einst seinen serbischen Statthalter in Bosnien sitzen ließ, eilte Djindjic schnell in die serbische Hochburg Pale an die Seite von Radovan Karadzic. Das weihnächtliche Ochsenbraten mit dem später vom Haager Tribunal angeklagten Kriegsverbrecher haben ihm selbst Freunde noch lange nachgetragen.

Im Zentrum der Macht

Nun hat Djindjic über die alten Regimeparteien triumphiert. Der geschickte Organisator gilt als Architekt des Wahlsieges von Oppositionskandidat Vojislav Kostunica im September. Am 5. Oktober, dem Tag des Aufstandes gegen den Wahlbetrug, soll Djindjic die Regie geführt haben. Der kühle Kopf des Oppositionsbündnisses sicherte sich vor der Revolution die Unterstützung eines Teils des Sicherheitsapparats. Selbst Paramilitärs, die in Kroatien gemordet hatten, kamen während der Revolution zu ihren Ehren.

Politische Gegner rechnen es Djindjic heute immerhin hoch an, dass er im Frühjahr auf eine Kandidatur gegen Jugoslawiens amtierenden Präsidenten Milosevic verzichtet hatte. Er machte damit den Weg frei für Vojislav Kostunica, den unbefleckten und damals noch weitgehend unbekannten Herausforderer des Autokraten. Doch selbst hinter diesem Verzicht könnte Kalkül stecken. Kostunica genießt Ansehen, kann sich aber nur auf moralische Autorität stützen. Serbien mit dem riesigen Verwaltungsapparat und einer rund 60 000 Mann starken Polizeitruppe ist das eigentliche Machtzentrum. Dort wird in Zukunft Zoran Djindjic sitzen. Der Mann mit den zwei Gesichtern.

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